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Nr. 25

Haramsøy, 30. April 2010

Endlich weht der Wimpel wieder vor dem Pfarrhof. Der fantastische und schneereiche Winter hat ein Ende. Am Anfang war es ja wirklich schön. Endlich mal weiße Weihnachten bis hinunter an den Fjord. Was haben wir mit den Kindern gebaut: Eine Rodelbahn um das halbe Haus herum, die sich fast mit Altenberg messen konnte. Später kamen noch eine Schneefestung und eine Schneebude dazu. Ungezählte

Schneemänner, -frauen und –tiere. Im Grunde ähnelte unser ganzer Vorplatz einem Burghof mit einem fast mannshohen Wall herum. Wir sind sogar mit den Langlaufskiern losgefahren, richtig Langlaufen! Hier hinterm Haus!

 

Aber irgendwo musste der ganze Schnee ja hin und da erwies sich der Wall als die einzig funktionierende Methode. Immer wenn man glaubte, das nun endlich die weiße Pracht am Verschwinden wäre, dann kam wieder Tein Tief mit einer neuen Ladung. Als es dann am Schmelzen war haben wir den Kindern beigebracht, wie man im Erzgebirge den Schnee ärgert. Doch da man ihn natürlich nicht auf die Straße schmeißen darf, haben wir ihn schön auf dem Vorplatz zu Tauen verteilt. Doch seit Ostern ist bis auf die weißen Mützen auf den Bergen alles weggetaut und die Kinder sind wieder „echt“ eingematscht nach einem Tag draußen. Nichts mit „bloß schnell rein in den Trockner“ - mit den Winteranzügen… Wir sind aber auch selbst schuld! Welche normal denkenden Eltern richten ihren Kindern auch ein Wasserloch im Garten ein?

Ostern war dieses Jahr grün. Im Sonnenschein konnten wir vom Alten Kirchplatz auf Haram zum Gottesdienst in der Kirche auf Austnes spazieren und es bestand keine Gefahr daß das Osterlicht ausgeblasen wurde das wir auf Haram entzündet haben. Vom diesem Licht werden in der Kirche alle Lichter nach Karfreitag wieder entzündet. Vor 2 Jahren mussten wir die Osterwanderung im waagerechten Schneegestöber absolvieren. Doch leider wurde es diesmal nichts mit dem Osterfrühstück im Bedehus auf Åkre. Das zweitälteste Gebetshaus des Landes, das 1896 erbaut wurde, hatte von der Elektroaufsicht die Auflage erhalten, fast die komplette Elektroinstallation zu erneuern. Das sprengte die ohnehin klamme Kasse und man entschied sich bis auf weiteres den Strom abzustellen. In einem kalten Haus ohne Kaffeemaschine, kann man keinen müden Norweger munter machen. Aber Frühstück gabs, nur eben in der „kyrkjestova“, dem kleien Gemeinderäumlein neben der Kirche.

An diesem Tag hatte auch die neu gegründete „Scola“ ihren ersten Auftritt, ein kleiner 8- Mann- Kor für besondere (kirchliche) Anlässe. Jana singt dort mit, es lässt sich besser mit unseren Berufen (sprich „Schichtordnungen“) verbinden als der große 40-mann-Chor der Inseln, der gerne ganze Konsertwochenenden veranstaltet. Bei den Gottesdiensten allerdings, besonders den Festgottesdiensten, sind wir ja eh alle dabei. Unser neuer Kantor Michael hat damit im Frühjahr angefangen. Er ist auch deutsch und hatte vor 7 Jahren auf Haramsøy seine Mariann geheiratet, die von hier stammt. Es war die einzige Hochzeit zu der unser Michael je zu spät kam, da er vom falschen Zeitpunkt ausgegangen war. Kantor Michael ist eigentlich Rechtsanwalt und Jurist beim ZDF, aber eben auch ausgebildeter katholischer Kantor aus dem Rheingau. Schon lange haben wir versucht ihn zu überreden sich doch als Organist hier zu versuchen, statt 250% bzw.100 Stunden pro Woche in Deutschland zu schuften. Als Rolf, unser alter Organist im Sommer in Rente ging, hatten wir ihn soweit, sich auf die Stelle zu bewerben. Es mussten noch einige Steine beseitigt werden, bevor er ,zu Weihnachten zum ersten mal alle Register unserer Orgel entstaubte, aber es hat sich gelohnt. Die Leute fragen ob wir eine neue Orgel haben… Er liebt sein Instrument und die Gemeinde liebt es ihm zuzuhören.

Osternester für die Kinder, die Großen und die Kleinen, gab es natürlich auch. Paul und Marianne mussten Opa Norbert und Oma Barbara ziemlich auf die Sprünge helfen damit diese nicht leer ausgingen… Opa und Oma waren bei uns über die Feiertage und haben uns über diewelchen auch gerettet- Kindergarten zu, Eltern arbeiten… Jana hatte sich zwar „freiwillig“ für Ostern gemeldet, aber irgendwelche Feiertage muß sie ja auch mal arbeiten, wenn sie auf guten Willen zu Weihnachten hoffen will.

So schön es auf unserer Insel auch sein kann, ab und zu haben wir doch das Bedürfnis nach einem Luftwechsel und wenn dann der seltene Fall eintritt, daß alle Erwachsenen gleichzeitig ein Wochenende frei bekommen, dann satteln wir einen unserer Skodas und reiten los. Diesmal trugen uns die Pferde unter der Haube unseres guten alten Octavia in die alte Reichshauptstadt Trondheim. Eifrige Leser fragen sich jetzt vielleicht: Was schon wieder Trondheim? Ihr wart dort doch erst im Sommer? – Ja, das waren wir.

Doch diesmal ging es gar nicht wirklich nach Trondheim sondern etwas nördlich davon. Hier wollten wir versuchen etwas vom sagenumwobenen König Olav dem Heiligen und Stiklestad, dem seines sagenhaften Martyriums zu finden. Aber als wir ankamen war alles eingeschneit. Nach über 3 Stunden im Schnee beschlossen wir die Expedition abzubrechen und bei IKEA unsere Ausrüstung zu vervollständigen. Die Kinder fand die Idee Spitze und das Småland, den Spielplatz im Laden einfach klasse. Das Highlight dieser Reise allerdings – fragt man die Kinder jedenfalls- war die Apfelsinenpresse beim Frühstücksbuffet im Hotel. Ganz ehrlich. Die hat sich vollautomatisch eine Apfelsine genommen, sie geteilt, nach unten gedreht, ausgequetscht und an der Seite wieder ausgeworfen. Toll! Überhaupt war schon das Frühstück im Hotel die ganze Tour wert, so viele verschiedene Sachen und jemand anderes der die Sauerei wegmachen muß… hehe. Auf der Rückfahrt waren diesmal alle Straßen offen und so gab es auch kein Problem die Fähren zu erreichen.

Ab 2015 oder vielleicht 2016 sollen wir übrigens auf keine Fähren mehr warten müssen: Schon seit dem Herbst sieht es so aus, als ob die Finanzierung des Nordøyvegen (www.nordøyvegen.no) gesichert wäre. Auch wenn es dadurch bis 2036 nicht unbedingt preiswerter wird auf unsere Inseln zu kommen, so wird es doch flexibler. Zwischen dem Festland und einer Lepsøy vorgelagerten Insel soll eine Brücke von 750 m Länge und über 40 Metern Höhe gebaut werden, von dort ein Damm mit kleiner Brücke nach Lepsøy und ein Tunnel nach Haramsøy, dann geht es weiter wie bisher nach Nogva und dann noch zwei Tunnel nach Fjørtoft und von Fjørtoft nach Harøy. Der Preis des ganzen Projektes: 387,5 Millionen € . Das ganze soll durch Maut und durch eingesparte Subventionen für Fähre, Ambulanz-Boot und das Schnellboot sowie Beiträge der Betriebe hier und zinsfreie Kredite der Regierung finanziert werden. Es ist teuer, aber für die Betriebe (Rolls Royse Marine und Zulieferer, Fensterfabrikk, Fischveredler, Motorenfabrikk als Zulieferer für Werften) ist die Logistik jetzt schon fast zu schwierig um zu überleben. Doch ohne Betriebe, gibt es keine Arbeitsplätze und ohne die keine Menschen, die hier wohnen. Das haben wir schon auf Fjørtoft gesehen, wo die Bevölkerung über ein Drittel geschrumpft ist seit wir 2002 kamen. Die Welt verändert sich, nur von Nostalgie kann man nicht leben und man soll ja auch in Zukunft hier noch Menschen finden. Das Projekt ist Teil der norwegischen Politik das ganze Land bevölkert zu halten. Natürlic h könnte man das ganze Land auch in einer Großstadt wie Berlin versammeln, reinpassen würden alle Einwohner ja, aber wer will das schon?

Wo wir gerade beim Finden sind. Manch einer versucht immer mal wieder uns auf Facebook oder ähnliches einzuladen: Danke dafür und dass ihr an uns denkt. Doch wir haben uns entschieden dort vorerst nicht zu finden zu sein. Es ist einfach eine Prioritierung der uns pro Tag zur Verfügung stehenden Wachzeit ;-) Micha ist ab und an auf www.piranho.de unterwegs, wo wir unsere Homepage gespeichert haben und sonst rufen wir lieber an, oder werden angerufen. Auch über Emails und besonders gute alte Post freuen wir und unsre Kinder uns immer wieder.

Im März brachte Michael persönlich ein Päckchen auf den Weg in Richtung Empfänger, dessen Beförderung die Post trotz vorheriger Nachfrage und Botenzustellung nicht bewerkstelligen konnte: Papiere und Medikamente für Abeds Familie in Gaza. Doch damit jetzt keiner einen Herzinfarkt kriegt, nach Gaza selbst ist er diesmal nicht gereist, aber bis Jerusalem schon. Das ganze war eine „Klassenfahrt“ eines Teils der Pfarrerschaft des Bistums Møre mit Bischöfin und allem drum und dran. Übernachtet wurde zuerst in Betlehem, so dass wir jeden Tag die Mauer, die das Land durchschneidet und die Grenzanlagen erleben durften. Auch unser Guide durfte trotz Genehmigung nicht immer mit einreisen. Nach 4 Tagen in Judäa ging es über das tote Meer und den Jordangraben weiter nach Galiläa. Das obligatorische Baden im Toten Meer, dessen Wasserspiegel rapide sinkt, durfte natürlich nicht ausfallen.

Der Jordan aber enttäuschte: Die Freiberger Mulde ist bei Weißenborn wesentlich breiter. Viele Bilder sitzen nun in der Erinnerung und waren sehr hilfreich bei den anschließenden Osterpredigten: Zu sehen wie steil und steinig der Weg von Jericho nach Jerusalem durch die judäische Wüste ist und sich in die Situation dessen zu versetzten, der Hilfe durch den barmherzigen Samariter bekam. Die Entfernungen sind mit dem Bus nicht groß, doch wenn man sich Jesus und die Jünger zu Fuß vorstellt… In Galiläa auf den Spuren Jesu zu wandern war ein Erlebnis, auch wenn in den Kirchen oft „Pilgerabfertigung“ stattfand. Die Reise war eine Studienreise mit einem dichten Programm und einem besonderen Augenmerk auf die Christen im heiligen Land. Einer der Höhepunkte war der Besuch in Ibellin, wo der Erzbischof der Melkiten Elias Chacour in einer heruntergekommenen, zerrissenen Pfarrei begann und heute versucht die erste arabische Universität in Israel zu etablieren. Über 20% der Einwohner des Staates Israel sind Araber mit israelischem Pass, die aber immer wieder als Staatsbürger 2. Klasse behandelt werden.

Ein trauriges Thema zum Schluss: Die 15 Mega-Windturbinen mit 145m Höhe auf Haramsøy sind nach 5 Jahren Kampf von der Regierung in Oslo leider doch endgültig genehmigt worden, aber zum Glück noch nicht im Bau und wir müssen sie von hier aus nicht sehen.

Eigentlich wollten wir noch ein Foto von den Robben reinlegen. Die kommen hier im Frühjahr her und sonnen sich auf den Schären an der Brücke nach Longva. Jana fährt immer daran vorbei, wenn sie im Jobb unterwegs ist. Es ist eine ganze Herde, aber sie liegen gerade so weit weg, dass man mit normalen Objektiv und Zoom nur ein paar dicke, nach oben gebogene Würstel auf das Bild kriegt.

 

Seid wie immer herzlich gegrüßt von den

 

5x Hoffmann auf Haramsøy

 

P.S. Eben erreicht uns noch eine Eilmeldung: Unsere Hompage www.hoffmannfamilie.net ist ab sofort in einer neuen gründlich überarbeiteten Ausgabe verfügbar.

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