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Übersetzung ins Deutsche von Barbara Wermke:

 

 

Pro Vit Urban

„Ich repariere diese Kirche mit der Absicht, sie für den Zeitpunkt des Abzugs der russischen Panzer zu erhalten“ pflegte ein Maurer in Mariaschein, Nordböhmen zu sagen. Es kurios, daß dieser Satz inmitten des Getöses der Sowjetischen Panzer ausgesprochen wurde, die im August 1968 die Tschechoslowakei besetzt hatten. Eine andere Kuriosität ist, daß der Autor dieses Ausspruches  - in dieser Zeit wirklich ungewöhnlich – kein professioneller Maurer war, sondern ein tschechischer Priester, Mitglied der Gesellschaft Jesu, Josef Cukr, und genau diesen Mann zeichnete der tschechische Präsident mit dem letzten staatlichen Orden „Für Verdienste“ aus.

Das jesuitische Lyzeum von Mariaschein wurde 1667 gegründet. Nach der Aufhebung der Gesellschaft Jesu 1773 wurde das Lyzeum umgewandelt in ein Institut zur Ausbildung von Lehrern. Nach der offiziellen Wiederherstellung des Jesuitenordens im vorigen Jahrhundert öffnete das Lyzeum wieder seine Pforten  um seine ursprüngliche Mission zu erfüllen bis zur faschistischen Okkupation der Tschechoslowakei 1939. Nach dem sogenannten „Sieg der Arbeiterklasse“ im Februar 1948 wurden alle Aktivitäten des Mariascheiner Lyzeums erneut eingestellt. 1950 wurde das Lyzeum von Mariaschein, das damals eine Filiale des erzbischöflichen Lyzeums von Prag war in ein Gefängnis umgewandelt um 360 tschechische und slowakische Mönche einzusperren. Die Situation dauerte bis 1968 als die tschechoslowakischen Kommunisten eine Reformbewegung, „Prager Frühling“ genannt, begannen.

„1968 schickte mich der Provinzial der Gesellschaft Jesu nach Mariaschein um den Abzug der sowjetischen Soldaten abzuwarten und das Gebäude des Lyzeums zu restaurieren, unbeachtet dessen, daß die Russen es bis 1990 okkupierten.“ stellte Pater Cukr lakonisch fest, der bis zu seiner Pensionierung seine Aufgaben als Pfarrer von Mariaschein erfüllte. Erst nach dem Abzug der Okkupanten 1990 konnte Pater Cukr beginnen, die eigentliche Mission zu erfüllen, die der Provinzial seines religiösen Ordens ihm aufgetragen hatte. Nach der „Samtenen Revolution“ knüpfte er Kontakte zu den neuen demokratischen Autoritäten, um das verwüstete Gebäude zu rekonstruieren, so daß 1993 die Klassen nach Mariaschein zurückkehren konnten. Es ist hinzuzufügen, daß dieses bischöfliche Lyzeum  gegenwärtig großes Ansehen geniest, obwohl es sich in einer Grenzregion befindet, die dem kommunistischen Regime und einer intensiven antireligiösen Kampagne unterworfen war.

Das Leben von Pater Cukr war sehr bewegt. Geboren wurde er 1917 in der mährischen Stadt Uherske Hradin. Er studierte Theologie in Prag und Großbritannien, bis er 1946 ordiniert wurde, Während des 2. Weltkrieges wurde er im KZ Terezin eingesperrt, in den Jahren 1950 bis 1960 als politischer Gefangener in verschieden kommunistischen KZ’s  - Mirov, Jachymov, Leopoldov u.a. In den sechziger Jahren wurde er als Lagerarbeiter eingesetzt. Erst 1968 konnte er sich seiner priesterlichen Berufung widmen, nachdem er den Sitz des Lyzeums von Mariaschein gegen mehr als 3000 verlegte sowjetische Soldaten geschützt hatte und mit seinen eigenen Händen und der aufopferungsvollen Hilfe von Freiwilligen der Region reparierte er zehn Kirchen und Kapellen. Pater Cukr führte diese Arbeit zu Ende in der ungünstigen Witterung eines totalitären Regimes. Es handelte sich um eine etwas ungewöhnliche Arbeit, auf den ersten Blick unsichtbar für die Ewigkeit und den Fortbestand der Kultur sowie das spirituelle Vermächtnis der Menschheit.

Ungeachtet der aller Geschehnisse kann Pater Cukr als ein Realist mit einer gewissen Dosis Skepsis eingeschätzt werden. Nachdem er aus den Händen Präsident Havels die Auszeichnung „Für Verdienste“ erhalten hatte, konstatierte er:  „Wir leben in einer heidnischen Welt, die sich bemüht die christlichen Ideen zu zerstören. Das spirituelle Leben ist minimal, durch die Auswirkungen des kommunistischen Materialismus eingeschränkt. Die Gläubigen sehnen sich nach etwas sehr schönem, sehr katholischem, aber sie könne es nicht erschaffen. Alle wollen, daß dieses etwas ausreichend sichtbar ist und vergessen, daß die Sichtbarkeit allein in Jesus Christus und durch seine Hilfe existiert. Sie äußern kritische Positionen ohne zu wissen, wie man etwas aufbauen kann. Der Triumph ist etwas völlig unbrauchbares. Uns fehlt eine konkrete Arbeit zugunsten von Jesus Christus und unseren Nächsten. Es muß immer gearbeitet werden, auch wenn die Tschechen sich nicht wie Baron Münchhausen am eigenen Zopf aus dem Sumpf ziehen können.“ so faßte Pater Cukr die aktuelle Situation zusammen – ein Jesuit, der während der letzten dreißig Jahre Kirchen renovierte, das Ende der sowjetischen Besatzung und des kommunistischen Atheismus erwartend. Die sowjetischen Soldaten sind abgezogen, aber der Atheismus der kommunistischen Massen? Darum geht es immer noch!