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3.2.        Großbritannien

3.2.1.  Der NHS

Das britische Gesundheitssystem weist zumindest im Bereich des NHS Parallelen zu den Medicare Programmen in den USA auf. Es unterscheidet sich jedoch grundsätzlich darin, daß es ein geschlossenes System ist, das heißt ihm steht von vornherein nur ein bestimmtes Budget zur Verfügung, durch das seine Leistungsmöglichkeiten bestimmt werden. Die Medicare Programme hingegen gewährleisten in der Regel bestimmte Leistungen für bestimmte Personengruppen. Abhängig von der Inanspruchnahme der Leistungen verbrauchen die Programme in mehr oder minder großen Umfang Mittel der staatlichen Haushalte.

Die Makroallokationsebene ist aber in beiden Fällen die Politik, die in Großbritannien das Budget des NHS und in den USA die durch die Medicare Programme abgedeckten Leistungen und gesicherten Personengruppen bestimmt. Die britische Politik kann dabei bestimmen, welche Leistungen durch den NHS innerhalb seines Budgets gewährt werden können und welche von vorn herein ausgeschlossen sind. Patienten als die Betroffenen können im vereinigten Königreich wie in den USA nur durch Wahlen einen sehr begrenzten Einfluß auf diese Entscheidungen ausüben. Das Ziel das die Politik dabei zumindest im Bereich der Gesundheitspolitik in Großbritannien nach Richard Smith[17] verfolgt ist utilitaristisch die Maximierung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung. Da dieser Gesundheitszustand aber auch von „sozioökonomischen Faktoren wie Wohlstand, Ausbildungsniveau, Beschäftigungsstruktur  oder Wohnungswesen“[18] abhängig ist, dürfte es, Erkenntnis  darüber vorausgesetzt, das Ziel sein mit den vorhandenen begrenzten Mitteln einen durch die Verteilung zwischen diesen Faktoren einen für den Gesundheitszustand paretooptimalen Zustand zu erreichen, da sich die Bedingungen jedoch fortwährend ändern, dürfte dieser unerreichbar sein.

Auf der Mikroallokationsebene muß nach meiner Meinung bei den GP, auf deren Ebene die Verteilung der Mittel im wesentlichen geschieht, zwischen fundholding und non-fundholding  GPs unterschieden werden, da diese einen unterschiedlichen Zugang zu den Ressourcen haben.

Grundsätzlich wird auch hier über die Therapie durch den Arzt, durch den jeweiligen fundholding oder non-fundholding GP, entschieden, dem aber durch den NHS dabei oft sehr enge Grenzen gesetzt sind. Wir  haben im britischen NHS den Zustand, das zwar im Rahmen des NHS immer noch eine große Menge von Leistungen möglich sind, diese jedoch nicht in jedem Fall, in dem sie sinnvoll sein könnten, gewährt werden. Der Grund dafür ist das begrenzte Budget, durch das es einfach nicht möglich ist, jedem Patienten für ihn möglicherweise sinnvolle Leistung aus dem Leistungskatalog des NHS zu gewähren. Da wir es somit mit einem geschlossenen System zu tun haben und damit jede Gewährung einer Leistung für einen Patienten die Verweigerung einer Leistung für einen anderen bedeuten kann, haben wir es hier mit einem paretooptimalen Zustand zu tun. Um innerhalb dieses Systems umzuverteilen und einen gerechten[19] Verteilungszustand zu erreichen bedient man sich des Kriteriums der Effektivität[20]. Dieses Enscheidungskriterium, das sowohl für GPs als auch für Fach- und Klinikärzte, gilt läuft nach meiner Einschätzung auf ebenfalls auf einen Utillitarismus mit dem Ziel der Maximierung der Effektivität des Systems und damit des Gesundheitszustandes der Bevölkerung unter der Voraussetzung der begrenzten Mittel hinaus.

Non-fundholding GPs  haben in diesem System nur eine allgemeine Verantwortung für eine große Anzahl von Patienten für die Leistungen aus dem zum Teil auch noch regionalisierten Budget erhalten und eine spezielle Verantwortung ihrem jeweiligen Patienten gegenüber. Diese Entscheidungsproblematik stellt sich für Fach- und Klinikärzte ähnlich. Non-fundholding GPs haben als zusätzliche Rationierungsinstanz und Allokationsebene noch die jeweils zuständigen Gesundheitsbehörden, die beispielsweise über den Spezialisten oder das Krankenhaus entscheiden, in dem ein Patient behandelt wird. Diese zusätzliche Ebene entfällt für fundholding GPs. Sie haben in erster Linie eine Verantwortung für die bei ihnen registierten Patienten und den jeweiligen Patienten im einzelnen, die Verantwortung für andere als ihre Patienten ist dabei wesentlich geringer.

Obwohl die Ärzte selbst weder ökonomische Vor- noch Nachteile aus der Verweigerung von Leistungen haben[21], bleibt dieses Modell problematisch[22]: Selbst wenn der Arzt die Garantie hat, daß die Mittel sinnvoll oder sinnvoller verwendet werden bedeutet die bewußte Verweigerung von Leistungen einen Vertrauensverlust zwischen Arzt und Patient: Der Patient kann sich nicht darauf verlassen, daß der Arzt alles ihm Mögliche für ihn tun wird.

Ein typisches Element von Rationierung in Public Health Systemen sind Wartelisten für die Behandlung in Krankenhäusern und bei Fachärzten. Durch den Drang nach Effektivität ist man auf  eine hohe Auslastung angewiesen, die maximale Auslastung erreicht man, indem man einen Mangel erzeugt, denn dadurch ist stets eine hundertprozentige Auslastung gewährleistet. Dadurch entstehen jedoch Wartelisten, die immer länger werden und auch Belastungsspitzen können nicht mehr abgefangen werden. Ob auf den britischen Wartelisten das Prinzip „Wer zuerst kommt mahlt zuerst“ oder andere gelten, darüber habe ich im Gegensatz zu Norwegen leider keine Informationen.

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