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Auli ,3. März anno domini 2013
Wir wollen mal wieder von uns hören lassen. Einen Weihnachtsbrief haben wir nicht geschafft und ein Neujahrsbrief auch nicht; das sollte Plan B sein. Nicht mal einen SEHR verspäteten Neujahrsbrief haben wir geschafft. ABER einen Ostergruß schaffen wir noch!


Als dieser Brief angefangen wurde, hatte uns der Winter fest im Griff. Draußen waren es zwischenzeitlich minus 20 und drinnen wohlige 22. Der Ofen brannte und die drei Wärmepumpen liefen auf Hochtouren. Wie viele Norweger heizen wir mit vor allen Strom und in dem wir unsere Umwelt kühlen: mit Luft-Luft-Wärmepumpen. Technologisch handelt es sich dabei um umgedrehte Klimaanlagen, die man im Sommer auch als solche benutzen kann. Doch vor allem liefern sie für jede eingesetzte Kilowattstunde Strom etwa 4 Kilowattstunden Wärme drinnen im Haus. Als wir unser Haus kauften waren drei solcher Wärmepumpen im Haus. Eine davon versagte nach dem ersten großen Frost. Es stellte sich heraus, dass sie nach 13 Jahren einfach das Ende ihrer Lebenszeit erreicht hatte.
Die Wärmepumpen waren auch bitter nötig, denn der Winter hier in unserem  Römerreich im norwegischen Ostland ist schon etwas anderes als der Dauerherbst an der Westküste. Selbst die Glomma, der schnell fließende größte Fluss des Landes, friert regelmäßig zu. Das kann Michael jeden Morgen vom Zug aus auf dem Weg zur Arbeit beobachten. Es ist schön mit einem richtigen Winter, Skilaufen, Eislaufen und Schlittenfahren. Die Aussicht über die weite Winterlandschaft von Auli gehört zu den schönsten der Gegend, kann jedoch nicht wirklich mit dem Meer und dem Lichtspiel in Sunnmøre mithalten.
Passend zum kalten Wetter draußen läuft im Fernsehen „Shackelton“, der Spielfilm über den englischen Abenteurer. Der Film ist ein Souvenir aus dem Fram-Museum in Oslo. Dies und das Kon-Tiki Museum waren das Ziel eines Samstagsausflugs, den Micha zusammen mit den Kindern unternahm. Wir versuchen das Kulturangebot der nahen Hauptstadt so gut es geht zu nutzen. So entführten wir unsere Prinzessin mit ihren beiden Rittern kurz vor Weihnachten in die Oper nach Oslo. Das Ballett „Der Nussknacker“ von Tschaikowski stand auf dem Programm und konnte selbst die Jungs über die gesamte Dauer fesseln.
Im Januar stand dann „Disney on Ice“ auf dem Programm, das die Kinder als Weihnachtsgeschenk erhalten hatten. Auch für das Frühjahr gibt es bereits Pläne…
So gesehen sind wir schon wieder bis Sommer ausgeplant,  im Turnus arbeiten heißt planen zu lernen;-) Und so sind eigentlich alle Freiwochenenden schon verplant und schon gar nicht mehr frei. Daß wir jetzt auch mal zusammen am Wochenende was unternehmen können genießen wir sehr.
Auf Arbeit ist immer viel zu tun, aber die Kollegen sind nett und lustig. Die Probleme sind die gleichen wie vorher auf Haramsøy nur mit anderen Vorzeichen. Dort hatten die Patienten Trockenfisch neben dem Hauseingang und Fotos aller ihrer Boote an der Stubenwand hängen. Hier haben sie Stabbur (Lagerhäuschen auf Ständern) auf dem Hof und so einen Kollegen an der Wand hängen:
Viele haben große Höfe und dazugehörende Jagdrechte in den weiten Wäldern hier.  Und im Herbst sitzen sie mit Thermoskanne und Fernglas bewaffnet am Waldrand und warten auf den Elch.
Micha lernt weiter fleißig die norwegische Zeichensprache. Diese ist in Norwegen offiziell als sechste norwegische Sprache anerkannt und wird von etwa 20.000 Menschen täglich benutzt. Nur etwa   ¼ davon ist wirklich taub oder stark schwerhörig. Die anderen sind ihr soziales Netzwerk oder Studenten, die die Sprache so wie Micha lernen. Seine Kommilitonen sind dabei vor allem Lehrer, Angestellte im Gesundheitswesen oder Kollegen aus der Kirche. Im Gegensatz zu den Familien, für die das Lernen der Zeichensprache kostenlos ist, kostet dieses Teilzeitstudium etwas. Trotzdem sind es alleine in diesem Jahr in Trondheim allein etwa 20 Studenten. Dazu kommen noch wenigstens genauso viele Studenten, die jedes Jahr allein in Trondheim die  Ausbildung zum Gebärdendolmetscher beginnen. Doch all diese werden gebraucht, denn Regierung hat entschieden drei der vier stattlichen Spezialschulen für Gehörlose zu schließen.  Die Schüler sollen nun vor Ort in integrierten Klassen unterrichtet werden. Die Frage ist nur ob dabei auch genug Wissen bei ihnen ankommt. Gehörlose sind genauso clever wie andre auch, nur haben sie eine andere Sprache und Kultur. Trotz zwiespältiger Erfahrungen, insbesondere mit den Artikulationsübungen dort, waren die Schulen wichtige kulturelle Zentren für die Gehörlosen, die sich selbst stolz «Døve» (Taube) nennen. Wer sich mal einen Gottesdienst in norwegischer Gebärdensprache anschauen möchte? Micha hat mal einen aufgenommen, der unter http://www.youtube.com/watch?v=JIxIZSmHIBA verfügbar ist.
Am Ende der letzten Studienwoche im Januar bekam Micha in Trondheim Besuch von seiner Familie. Jana und die Kinder hatten die 8 Stunden lange Zugreise von Auli bis nach Trondheim auf sich genommen um mal nachzuschauen, wo der Pappa ist, wenn er auf Kurs ist. In Trondheim wurde gebadet und im Fernsehturm hoch über der Stadt gespeist. Doch in Erinnerung werden die Kinder vermutlich ihre Mitreisenden auf der Zugfahrt behalten.
Und das kam so:
Im Advent kommt hier immer eine „Adventskalenderserie“ im Fernsehen.
Es sind für alle 24 Tage je eine Folge und es werden jedes Jahr neue Serien gedreht. Die Serie 2012 hieß „Julekongen“, übersetzt „Der Weihnachtskönig“ und handelte von einem Jungen der im Wald eine Höhle findet. Am anderen Ende dieser Höhle ist ein Ausgang der zurück in die alte Ritterzeit führt. Die Ritter halten den Jungen für den „Weihnachtskönig“. Dieses führt zu allerlei Verwicklungen, die für die Kinder sehr spannend waren.
Wir waren also im Zug in Richtung Trondheim im Kinderabteil und auf einmal sagt Paule: „Das ist der Julekongen!“ –„Neeee!?“ sage ich und bin im Zweifel. Aber der Junge gegenüber sieht ihm schon etwas ähnlich … Die Kinder spielten vergnügt zusammen und ich unterhielt mich schließlich mit der Mutter. Und richtig: es war der Junge aus der Serie, allerdings waren die Dreharbeiten  vor 1 ½ Jahren. Und der Junge war ein ganzes Jahr mit den Dreharbeiten beschäftigt und weg von der Schule.
Und auf der Rücktour am Sonntag waren sie auch wieder mit im Abteil :)
Paul wird mehr und mehr belesen: Er hat jetzt ein Abonnement für eine „Junior“- Tageszeitung, die 2 mal die Woche erscheint und aktuelle Nachrichten für Kinder verständlich macht. Darin hat er auch über Nordkorea gelesen und war ganz fasziniert von den Unterschieden der verschiedenen Staatsformen: Demokratie,  Diktaturen und Monarchie. Und wie es sein kann daß dort Wahlen sind und trotzdem einer alles bestimmen kann. Bei einer Diskussion um Schlafenszeiten entspann sich daraufhin folgender Dialog: Mama: „Jetzt geht’s ins Bett!“ Paul: „Kann ich noch lesen?“ Mama: „Nein, es ist schon spät!“ Paul: „ Bitte!“ Mama: „Nein, das bestimme ich!“ Paul: „Das ist ja wie Nordkorea!“
In den Winterferien in Februar waren wir auf Europatournee. Wir wollten mal testen wie es sich anfühlt einen ganzen Tag kürzer unterwegs zu sein. Der Abstand ist ja doch etwas geringer als von Haramsøy. Wir sind jetzt also schneller auf dem Kontinent und man ist auch schneller bei uns. Zuerst ging es zum den Großeltern in Thüringen: beim Baden in der „Kristalltherme“ hat Marianne große Fortschritte beim Schwimmenlernen gemacht. Dann ging es weiter nach P?eštice bei Pilsen zu Familie Satke. Michaels Freund Honza ist dort Pfarrer und hat uns die Gegend gezeigt, die Micha schon 2 mal besuchte. Seine 4 und unsere 3 Kinder hatten trotz der Sprachbarriere jede Menge Spaß zusammen. Seit dem letzten Besuch von 1 ½ Jahren hart der nun 3 jährige Jakub Micha allerdings wohl endgültig in seinen Tschechischkenntnissen überflügelt. Es ist bewundernswert mit wie viel Glauben und mit wie wenig Geld Familie Satke den Pfarralltag mit nur 2 privaten Zimmern und Umbauarbeiten im Pfarrhaus meistern. Schließlich ging es Richtung Erzgebirge: Dort war richtiger Winter und beim Schlittenfahren und Schneeschieben konnten wir den Winter noch richtig auskosten. Die Rückfahrt ging bis Rostock, dann mit der Fähre nach Gedser (Dänemark) und weiter bis zur Helsingborg- Helsigør-Fähre. Ab dann ging es den Landweg nach Norden durch Schweden. Wir sind die Strecke bisher erst einmal gefahren und mussten damals eine Übernachtung in Göteburg einlegen. Diesmal haben wir 1200 km und 16 Stunden Fahrtzeit gebraucht- von 5 Uhr früh bis 21.30 Uhr. Fährzeiten sind eingerechnet und sind gleichzeitig auch die Pausen gewesen. Es ist also ohne weiteres möglich die ganze Strecke an einem Tag zu bewältigen. Nur mit dem Wohnwagen könnte die Fahrt doch etwas lange dauern... Die Kinder freuen sich schon auf die nächste Campingtour.



Viele Grüße von den 5 Hoffmanns in Auli



Karl, Marianne, Paul, Jana und Micha

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