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Inselnachrichten Nr. 2

Haramsøy, 19.06.03

 

Ein halbes Jahr ist vergangen und der Sommer kann doch eigentlich gar nicht mehr so weit sein. Alles grünt und blüht und wir können den Wald hinterm Haus richtig genießen. Wir haben jetzt erst mal das "schlimmste" in Sachen Garten hinter uns: Bäume fällen, zersägen und stapeln, Beete anlegen, Erdbeeren und verschiedenes Gemüse pflanzen, Kräuterbeete anlegen und düngen. Mal sehen ob jetzt was von alleine passiert.

Ein stilvoller, englischer Garten wird es sowieso nicht, dazu war er viel zu verwildert und vernachlässigt die letzten Jahre. Dann wird es eben ein Wildnisgarten;-)

Aber wir haben erst mal Platz geschaffen.

So manches "Unkraut" was Micha freudig umgesäbelt hat erweist sich aber jetzt irgendein wunderbar blühender Zierstrauch zu sein. Leider nur in den Gärten von anderen Leuten.

 

Noch mal eine genaue Insellagebeschreibung wegen etlicher Nachfragen:

Du suchst auf der Karte nach Norden und da irgendwo ist Norwegen. Norwegen ist wie eine Keule von der Form her. Alle die wichtig sind wohnen im dicken unteren Teil der Keule und die anderen oben. Du guckst jetzt also dahin wo der dicken Teil der Keule in Norden fast aufhört. Und da wiederum suchst du an der Westküste nach Ålesund, unterhalb von Trondheim und oberhalb von Bergen. Wahrscheinlich ist deine Karte schlecht, deswegen siehst du ein paar Millimeter nördlich von Ålesund nur einen oder gar keinen Fleck. Hast du eine gute Karte siehst du 6 Insel wie auf einer Schnur aufgereiht, auf der 3. wohnen wir. Die 2., 3., 4.  und 5. gehören zu Michaels Arbeitsgebiet. Genau genug? Ach ja, auf der 1. Insel gibt es einen Flughafen- vielleicht ist der eingezeichnet?

 

Bei uns gibt es aller weisen Voraussicht nach im November eine Familienexpansion. Es kommt das erste Hoffmannkind. Hoffentlich nicht an meinem Geburtstag (01.11.). Bis jetzt war davon nicht viel zu merken: mir war nicht schlecht[1], ich habe keinen Bauch gekriegt... böse Zungen behauptet ja ich hätte einen dicken Hintern...

Aber letzte Woche waren wir beim Ultraschall und das war ganz eindeutig mein Bauch der da von innen gefilmt wurde. Kopf, Beine, Füße, Arme und Hände- alles dran und schon so groß! Ist schon erstaunlich wie viel Bewegung da drin war, im Verhältnis zu dem bißchen was man eigentlich merkt.[2]

Da wurde gestrampelt und der Kopf gedreht, nach hinten ausgestreckt, gewunken und am Daumen gelutscht. Wir konnten sogar Lippenbewegungen sehen und natürlich das kleine Herz.

Die Untersucherin stellte fest, daß mit dem Kleinen soweit alles in Ordnung ist bis auf daß es unfotogen und genant ( sächsisch: schennand) ist. Denn die "strategisch wichtigen Teile" hat es uns nicht gezeigt. Und sie meinte auch sie hätte schon bessere Fotos gemacht.

Jetzt fängt auch das Breitenwachstum an (20. Woche). Fühlt sich an als ob ich eine große Aubergine im ganzen verschluckt hätte. Micha hält sich vornehm zurück mit Kommentaren.

Jetzt geht's in unseren Jahrgang ganz schön los: Franziska Stejke hat geheiratet, Susann Schmidt will schon das 2. kriegen und Sandra ist schon mit dem 3. fertig!..

 

Ansonsten haben wir uns ein kleines Boot gekauft- da kann man das Inselleben noch mal ganz anders genießen. Es ist so groß, daß man auch mal ein Wochenende drin schlafen kann und somit auch längere Touren möglich sind. So ganz ohne Bastelei geht das natürlich auch nicht ab: Das gute Stück ist 27 Jahre alt, für ein Boot ist das gutes Mittelalter- aber eben auch nicht neu. Micha hat schon erfolgreich die Auspuffanlage (ansonsten gäbe es nur Räucherfisch bei uns...) ausgewechselt und die Antriebsachse repariert. Jetzt fehlt nur noch eine gründliche Putzattacke.

Micha ist damit neulich auf der Nachbarinsel zum Gottesdienst gewesen und kam mit Fisch (Seelachs, Schellfisch und Dorsch) zurück. Nicht schlecht. Praktisch. Ansonsten wird man hier mitunter noch in Materialien bezahlt- es passiert schon mal, daß mal einer mit eine riesen Tüte Krabben (die handtellergroßen, plattgedrückten Dinger) vor der Türe steht. Die sind hier aber eh " Abfallprodukt", denn eigentlich sind die Leute auf Hummer aus wenn sie die Fallen auslegen.

Den "Härtetest" hat es auch schon bestanden. Eine Tour auf dem Fjord beladen mit Bootsführer, 2 Omas, ein riesiger Bruder und dessen Freundin und 9 frisch gefangenen Fischen. Bis auf die Fische haben alle die Tour sehr genossen.

 

Pfingsten hatte wir nämlich obengenannte eine Woche zu Besuch: Micha´s Omas, sein Bruder Martin und Manja. Das war sehr lustig und ich denke sie haben auch jede Menge gesehen und erlebt.

 

Micha meint, daß es für die Omas schon überraschend war zu sehen, daß normale Gottesdienste von 50 bis 100 Gemeindegliedern besucht werden. Ansonsten bereitet sich die Gemeinde auf den Umzug des Pfarrbüros vor: Von der 2. Etage des Alten E-Werk-Gebäudes, das jetzt zudem einem Zeugen Jehovas gehört, ziehen sie in die ehemalige Post. Während sie am alten Platze die letzten im Gebäude sind, bekommen sie nun mit dem meistfrequentierten Laden im Ort einen neuen Nachbar und sind für die Gemeinde zu ebener Erde auch sonst besser erreichbar.

 

Ansonsten stehen die ersten Projekte des jungen Pfarrers vor einem vorläufigen Abschluß: Ab Juli wird für den Rest des Sommers die Kirche täglich von ca. 9 bis 16 Uhr geöffnet sein. Daneben nimmt ein Kurs, der die Eltern beim Taufunterricht zu Hause unterstützen soll, mehr und mehr Gestalt an. Ab August sollen die Eltern zur Taufe einen A5- Ordner erhalte. In diesem finden sie einen Brief der Kirchgemeinde, Erklärungen zu Themen wie Taufe, Tauflicht, Taufkleid u.ä. sowie Gebete, eine Andacht, Lieder und Bibeltexte. Jedes Jahr bis zu 6. Tauftag erhalten sie danach einen dicken Brief mit neuem Material für den Ordner.

 

Die Gottesdienste machen Micha im allgemeinen viel Spaß und die Gemeinde mag seine lockere Art, aber manche Festgottesdienste sind schon eine besondere Herausforderung:

Mitte Mai war hier Nationaltag, das ist wie Ostern, Geburtstag, letzter Schultag und Kindertag zusammen. Da werden Trachten angezogen (die sind hier richtig ernsthaft im Gebrauch: zu Hochzeiten und so- praktisch und schön, wenn alle eine anhaben), Fahnen geschwenkt, Ehrenkränze an Denkmälern niedergelegt (1. Mai läßt grüßen), Schulorchester zu Auftritten gezwungen  und der restliche Tag mit Kinderspielen, Kuchenessen und Gasballonsfüllen verbracht.

Eigentlich fängt natürlich alles am Abend vorher an, und wie die Skandinavier saufen ist ja bekannt. Das ist auch die große Zeit der Abiturienten, die einen ganzen Monat lang die Sau rauslassen, in roten oder blauen Klamotten und rot angemalten Bussen und Autos. Es kann schon passieren, daß die auf allen vieren kriechend an einem vorüberziehen. Das war jedenfalls dieses Jahr das aktuelle- warum weiß ich nicht- aber die wahrscheinlich auch nicht.

Ich habe gearbeitet, aber auch ums Krankenhaus gab es Umzug mit Orchester, Fahnen und Schulklassen und Nationalhymne singen.

Es ist erstaunlich ein Volk so seinen Nationalstolz ausleben zu sehen, besonders wenn man aus einem Land kommt wo es kaum welchen gibt.

 

Ansonsten ist gerade etwas Regenwetter aber warm. Unser Pfingstbesuch hatte ja etwas Pech mit dem Wetter. Aber danach war es ein paar Tage wunderschön und warm.

Am ersten Juliwochenende steht ja schon meine Deutschlandtour an. Da ist Jahrgangstreffen vom Gumminasium in Dippoldiswalde. Endlich Rollmops essen!

 

 

Viele liebe Grüße von Micha und Jana

 

Fotos:

  1. Ultraschall 13.06.03                                                  4. Boot
  2. Martin beim Fische sezieren                                    5. Fleißige Arbeiter
  3. Blick aufs Ålesunder Krankenhaus                       6.Postkartenansicht von Haramsøy
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[1] Zumindest nach den ersten drei Wochen nicht mehr...

[2] Es wird ja gesagt es wäre wie Schmetterlinge im Bauch. Nun hatte ich aber noch nie Schmetterlinge im Bauch und lebende schon gar nicht...

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