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Ostergruß- Inselnachrichten Nr. 8

Haramsøy, 25.März 2005

 

Es ist Karfreitag oder Langfredag, der lange Freitag, wie er auf norwegisch heißt. Fünf von acht Gottesdiensten liegen hinter uns, die Osternacht, die Osterwanderung und zwei Festgottesdienste liegen noch vor uns. Endlich finden wir Zeit auch einmal an unsere Familie und unsere Freunde zu denken.

Seit der Visitation des Pfarrbezirks durch den Bischof hat unser Leben kaum innegehalten:

Zu Weihnachten besuchte uns Michaels Vater Heinz mit seiner Frau Susanne. Am Heiligabend war es Paulchen der mit Abstand die meisten Geschenke unter dem Weihnachtsbaum fand. Sein Motorrad nahm er sofort in Besitz und die Bedienung erwies sich als intuitiv, sprich selbsterklärend.

Silvester feierten wir mit Susann, Johannes und  Christfried Kaul aus Ulsteinvik. Am Silvesterabend war es unserem Paulemann einfach zu dumm immer nur um Tische herum, an Schränken entlang  oder an einer Hand zu laufen und ansonsten zu krabbeln, während Johhannes, nur ½ Jahr älter durch die Stube tobte. Wahrscheinlich sagte er sich: „Was riskiere ich, wenn ich einfach loslaufe. Mehr als hinfallen kann ich nicht.“ Gesagt, getan ! Seit diesem Tag spaziert er frei durch die Stube. Inzwischen tobt er auch gerne mal den Gang vom Schlafzimmer durch die Stube bis zur Terrassentür. Auch den Weg zum Briefkasten und zurück schafft er mit Mama und Papa schon ohne Probleme. Er stolpert kaum noch über seine eigenen Beine und plappert den ganzen Tag. Es sind zwar nur wenige Worte wie  „Audu“ (Auto), „Mama“, „Papa“, „Ha det“ (norwegisch: Tschüß), „Deddy“ (Teddy) oder „(Schuhe) ahzie“ zu verstehen, aber mit seinem „Daa, Daa“, dem zeigenden Arm und seinem „Ha, ha“ schafft er es fast immer uns seinen Willen mitzuteilen. Ihm fehlen zwar noch die Worte, aber er weiß, was er will. Insgesamt muß man nun schon langsam aufpassen, was man sagt, denn man weiß nie, was er nachplappert. Er scheint sich wie seine Eltern zu einem Bücherwurm zu entwickeln und sein Lieblingsbuch ist „Heute gehen wir auf den Bauernhof!“. Er kann es gar nicht oft genug vorgelesen bekommen und auf keinen Fall dürfen dabei die Tierstimmenimitationen fehlen.

Im Kindergarten gefällt es unserem Spatz. Oft will er nachmittags gar nicht mehr nach Hause. Für seine Eltern ist es immer wieder eine Herausforderung unsere unregelmäßigen und vom üblichen abweichenden Arbeitszeiten mit Paulchens Tagen im Kindergarten und Babysittern zu organisieren. Besonders schwierig wird es, wenn der Kindergarten einen Planungstag hat oder wie in der Karwoche einfach zumacht. Da wäre es manchmal schön Großeltern im Nachbarort zu haben so wie Jana.  Aber bisher haben wir es auch so irgendwie geschafft. Paul kriegt davon aber nicht viel mit. Er ist inzwischen ein treuer Fan des Sandmanns (18.50 Uhr MDR) und schläft normalerweise von sieben bis sieben. Gelegentlich gelingt es den müden Eltern auch  ihn dazu zu überreden noch eine Stunde länger zu schlafen.

Zwischen Weihnachten und Ostern  hat Jana fast wöchentlich  in der Küche gezaubert: Ein Kirchgemeinderat, die Bibelgruppe, die ehrenamtlichen Mitarbeiter in der Kinder- und Jugendarbeit und KKK (Kvinneleg KveldsKonferanse – Weibliche Abendkonferenz sprich Weiberabend), alle waren sie in unserer Stube zu Gast und bekamen reichlich aufgetafelt.
In der Hauskrankenpflege versucht Jana nun den Umfang ihrer Stelle allmählich zu vergrößern. So hoffen wir unseren Alltag etwas planbarer zu gestalten und unserem Junior den Wunsch nach mehr Zeit zusammen mit anderen Kindern zu erfüllen.

In den Gemeinden ist das letzte Jahr der amtierenden Kirchgemeinderäte angebrochen. Für den Frühherbst stehen Wahlen an, bei den voraussichtlich auch 15-Jährige das erste mal mitwählen dürfen.

In der Gemeinde Haram ist unser Freund Jens Aksnes nach 2 Jahren Papapause als Kirchenvorstandsvorsitzender zurück und möchte gemeinsam mit Michael langsam, aber stetig, einiges bewegen. Er ist einer der wenigen Norweger, der unsere Besucher nicht nur wie die meisten auf deutsch versteht, sondern auch anspricht.

Auf einem Entwicklungsseminar in Sæbø für die Mitarbeiter seines Pfarrbezirkes, der im Zusammenhang mit der Visitation stattfand,  konnte Michael neben vielen interessanten und positiven Eigenschaften seiner Mitarbeiter auch entdecken, daß kein noch so schöner Fjord ohne Untiefen ist, die umschifft sein wollen. ( ein echt michaelscher Schachtelsatz…)

Fast jede Gemeinde im Bistum Møre hat auch ein Missionsprojekt, für das sie sich mit Gebet, Information und Geldsammlungen engagiert. Die Missionsprojekte der Gemeinden Haram und Fjørtoft liegen beide auf Madagaskar. Während Fjørtoft sich für ein Schulprojekt entschieden hat, liegt Haram ein Kinderheim ganz besonders am Herzen. Die Missionsgesellschaft bietet Gemeindebesuche durch Missionare an, so daß die Projekte nicht nur graue Theorie bleiben, sondern lebendig werden. Jede Kirchgemeinde in Norwegen muß einmal im Jahr eine Versammlung einberufen, auf der der Gemeinderat Rechenschaft über das vergangene Jahr ablegt. Diese Versammlungen sind in der Regel nicht sonderlich gut besucht und bleiben trotz allen Tricks (Beamer und Computer mit Powerpoint sowie diverse Unterhaltungseinlagen des Pfarrers) meist trocken, langweilig und schlecht besucht. Dieses Jahr ist es uns allerdings gelungen, diese Versammlung mit dem Gemeindebesuch des Missionars zu verbinden. In der Gemeinde Haram ist das Ergebnis bereits eine nicht nur besser besuchte und informative sondern vor allem inspirierende Veranstaltung gewesen. Wie es auf Fjørtoft funktioniert, werden wir in zwei Wochen sehen. Immerhin: Neben den Dankopfern sammelt jetzt ein Hauskreis für das Projekt und eines von Michaels heimlichen Zielen des Herbstes, das Engagement für die Missionsprojekte neu zu entfachen, ist geglückt.

Die neue Dienstordnung für Pfarrer, die verschiedenste Umstrukturierungen im Pfarrdienst mit sich bringt und die das Bistum dazu nutzen will, bis zu 5% der Pfarrstellen einzusparen, bereitet dem jungen Pfarrer auf Haramsøy inzwischen einiges Kopfzerbrechen und lenkt ihn wie andere alt zu oft von Verkündigung und Gemeindearbeit ab..  Die Stelle des Soknepresten i Haram ist nicht in Gefahr, aber auf einer Nachbarinsel ist eine Stelle schon fast 2 Jahre vakant und es fällt schwer zuzusehen wie die Gemeinde dort förmlich nach einem Pfarrer lechzt, das Bistum sich aber zu keiner Entscheidung durchringen kann.

Vielleicht versucht Michael auch deshalb bei jedem seiner Deutschlandbesuche Platz für ein bis zwei Gottesdienste in den verwaisten Gemeinden Rechenberg, Cämmerswalde und Clausnitz zu finden. Zwischen Paul und Baldas (Janas Großeltern) Goldener Hochzeit und dem 50. Geburtstag von Arnd, Janas Vater, fungierte er so während unseres 10tägigen Deutschlandbesuches auch noch als Pfarrer für zwei deutsche Gemeinden. Dieser Einsatz wird noch nicht der letzte für dieses Jahr sein: Durch eine Dienstreise (der Grund dafür wird erst in der nächsten Nummer verraten) und die Hochzeit von Niko und Janine (durch Inselnachrichten von 2004 bekannt) werden dieses Jahr noch zwei weitere Sonntage mit deutschen Gottesdiensten folgen: der 10. April und vermutlich der 12. Juni. – Wir versuchen es auszunutzen, daß unser Paulchen dieses Jahr noch fast kostenlos mitfliegt, ab nächstes Jahr werden es ohnehin weniger, aber vielleicht etwas längere Touren werden.


Ein anderes Thema erhitzt zur Zeit die Gemüter auf den Inseln stärker als alle Umstrukturierungen: eine Energiegesellschaft möchte die Berge auf Haramsøy mit 19 Windmühlen mit einer Höhe von 135 Metern entlang der Bergkante zupflastern und auch am Skulen, dem Berg auf Longva, sind 5 Mühlen geplant. Die Gesellschaft wird von Ortsfremden betrieben, die mit sogenannten grünen Zertifikaten nach dem  Kyoto-Abkommen hier Geld verdienen wollen. Kein einziger Arbeitsplatz soll auf den Inseln entstehen. Die Landschaft, Natur- und Vogelschutzgebiete, Flugverbotszonen, die Gefahr der Entvölkerung, das alles soll auf einmal nicht mehr zählen. Die Volksseele kocht.

 

Auf einer Versammlung konnte Michael  als Seelsorger einen Moment lang der Versuchung nicht widerstehen als  Don Quijote einen Beitrages zum Kampf gegen die Windmühlen in der r Lokalpolitik zu leisten. Doch es fanden sich glücklicherweise andere Frontpersonen , die den Kampf mit ganzer Kraft aufnehmen, so daß der Schuster bei seinen Leisten bleiben und der Pfarrer sich um Gottes Wort kümmern kann.

In der Küche ist inzwischen die dritte Brotsorte, Käsebrot, fast fertig und die Ostereier müssen auch noch fertig gefärbt werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jana, Paulchen und Michael grüßen Euch mit der frohen Botschaft: „Jesus Christus ist auferstanden! Er ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!“ und  wünschen Euch frohe Ostern. - God Påske!

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