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Inselnachrichten Nr. 11

Haramsøy, 19. Dezember 2005

 

Die Inselnachrichten sind diesmal - der Dramatik der Ereignisse angemessen - in Tagebuchform.

 

5. Dezember

 

Jana schreibt: Und ja, wir warten also immer noch. Laut Plan ist Paulchens Geschwisterkind schon etwa 6 Tage alt, denn wir hatten uns so gedacht, daß es vielleicht auch etwas eher kommt. ber so ist das eben mit der Planung. Wir haben ja auch noch ein paar Tage Zeit sagen die statistischen Hochrechnungen. Auf der einen Seite ist es ganz gut, denn letztes Wochenende war die ganze Familie erkältet – die Männer leiden wie immer am meisten- und da war es besser niemandem ein Ningelpaulchen zumuten zu müssen. Auf der anderen Seite habe ich mich extra beeilt um es hier weihnachtlich zu machen; zu schmücken und Kekse zu backen und nun habe ich nichts mehr zu tun- und Keksbackverbot bekommen. Paul ist bisher ganz begeistert vom Advent: die „schoholade“ aus dem Kalender wird nicht vergessen und bei jeder Mahlzeit muß eine „Hui“ angemacht werden, das ist eine Pyramide. Beim Keksebacken war er begeistert dabei, wobei ihm allerdings mehr der technische Teil („rührn!“) als der künstlerische (ausstechen) zusagte. Ist eben eindeutig ein Junge. Auch meinen Einsatz bei der Aktion scheint er gehörig zu unterschätzen. Als wir das erste Mal Kekse zum Kaffee hatten, wollte ich meinem Mann vorsichtig bewusst machen, dass diese unter erschwerten Umständen und unter Einsatz vieler Nerven („ Rührn! Rührn!! Rührn!!!“) selbstgebacken wurden. Hinterlistig habe ich also Paul gefragt: „Na Paul, erzähle doch mal dem Papa, wer die Kekse gebacken hat!“ Das Kind überlegt kurz, zeigt hinter sich in die Küche und erklärt: „Ofen!“  

 

Wer findet das Kind?

Draußen regnet es und wir bauen in der Garage Pauls GROSSES Bett

Vor zwei Wochen ist der junge Herr aus Platzmangel in ein großes Bett umgezogen, denn er ist gewachsen und vor allem die Plüschtiermannschaft auch. Die Männer haben es zusammen aufgebaut und Paul hat es auch gleich gut angenommen. Nur die 1. Nacht bin ich 5 bis 6 mal aufgestanden weil entweder Bettdecke, Hasi, Teddy oder Kind draußen lagen. Und seit der Zeitumstellung schläft er seltsamerweise auch bis mindestens um 6.50 Uhr (!)durch, obwohl ja die Zeit in die „falsche“ Richtung gedreht wurde. Aber wer umso früher aufwacht, je später er hingelegt wird... In der Mathematik würde man sagen, daß der Junge umgekehrt proportional funktioniert. In der Medizin heißt es „paradox“.

Ich schicke Euch ein Suchbild mit.

 

10. Dezember

 

Einen Tag über dem Termin und das uns! Da geht doch unsere ganze schöne Planung flöten!

 

12. Dezember

 

Zur Verkürzung der Wartezeit unternehmen wir viele Spaziergänge.


Das gibt’s doch gar nicht! Langsam werde ich immun gegen die Warterei. Ich glaub schon fast nicht mehr dran, daß hier noch ein Kind kommen soll. Oder- als Alternative- wir verschieben das Ganze auf nach Weihnachten, dann hat das Kind wenigstens einen brauchbaren Geburtstag... Mittlerweile sind auch heiße Vollbäder nicht mehr entspannend und der Trainingseffekt von Bergtouren mit einem Zweijährigen im Schlepptau hält sich in Grenzen. Michael hat derweil die Warteabende dazu genutzt um ein Buchprojekt über den Wallfahrtsort Mariaschein fertigzustellen, das schon eine Weile brachlag. Das soll Anfang 2006 endlich in den Druck, aber nun ist wieder ein Projekt abgeschlossen. Morgen habe ich einen Termin bei der Hebamme, den hatte ich eigentlich überhaupt nicht vor noch mitzunehmen. Den hatte sie mir nur sicherheitshalber gegeben!

 

 

Micha schreibt: Ich habe die letzte Nacht kaum geschlafen und mache mir nun doch langsam Sorgen um meine Weihnachtsgottesdienste... Es stehen innerhalb von 2 Tagen immerhin 5 Stück auf dem Programm und das bei unsern Entfernungen. Bis hierher haben wir es geschafft und inzwischen sind auch fast alle wieder gesund. Nun fehlt nur noch das Kind. Einerseits sind die Tage zu Hause schön, aber ich hätte doch auch gern etwas Zeit mit Nummer 2 verbracht. Außerdem beginnt es langsam wieder zu kribbeln, die Arbeit ruft.

 

14. Dezember

Jana schreibt: Heute bin ich zum Zahnarzt gefahren. Seit 1 ½ Woche habe ich nämlich zusätzlich zu meiner Erkältung auch noch Zahnschmerzen und kann deswegen schon nicht mehr schlafen. Eigentlich wollte ich damit bis nach der Geburt warten, aber da hier anscheinend kein Kind kommt, habe ich Maßnahme ergriffen und bin losgedüst. Der Zahnarzt hätte mir zwar liebend gern geholfen und mir auf Wunsch auch jeden beliebigen Zahn gezogen. Den einzigen, den er mir aber wirklich ziehen mußte war der, daß es es Zahnschmerzen seien, die mich plagen. Seine Diagnose war eine Entzündung der Nebenhöhlen. Da ich schon einmal in Aalesund war, also ab zum Bereitschaftsdienst am Krankenhaus. Ich bin zwar aus Haram und man war dort auch durchaus willig, mir zu helfen, empfahl mir aber wegen der Warteschlange doch lieber den Bereitschaftsdienst in unserer Kommune aufzusuchen. Also ab nach Vatne! Noch 1 ½ Sunden bis zur Fähre und die reine Fahrzeit sind schon 50 Minuten. In Vatne, ging dann alles ganz schnell: Antibiotika und einige aufmunternde Worte für die werdende Mutter: („ Ach, morgen ist ja Vollmond, da kommt's ganz sicher!“) und ab zur Fähre. Als ich dann zu Hause ankam, war Paulchen natürlich schon im Bett, ich mußte mich aber trotzdem gleich mal zu ihm reinschleichen. Als ich dann an seinem Bett stand, öffnete er die Augen und stellte kurz fest: „Mamma. Arbeit. Hause. Brille, Augen, Nase, Mund.“ lächelte und schlief wieder ein.

 

 

Wanderung auf Haramsøy

Micha schreibt: Paul und ich saßen derweil zu Hause, tanzten, machten die Gegend unsicher und hörten Radio. Dort fiel uns eine Meldung auf, die uns doch zu denken gab, da sie ein zumindest für das ländliche Norwegen typisches Phänomen beschreibt. Die Meldung: Der im Frühjahr verstorbene Bauer Gunnar Bergsrud aus Valdres hatte keine Nachkommen, aber einen Hof in landschaftliche schöner Umgebung. Er fand nur, daß es zu wenig junge Leute in seinem Dorf gab, also entschied er: Mein Hof soll an einen Jugendlichen (zwischen 15 und 35) aus der Region vererbt werden. Sollte es mehrere Interessenten geben, sollte ausgelost werden. Aus 30 Bewerben wurde schließlich eine junge Frau ausgelost.

Die Norweger sind ohnehin im Losfieber und auch Christian ist auf Lepsøy schon dem Bingo verfallen. Doch neben Bingo gibt es noch weitere Formen: Durchschnittlich einmal im Monat klingelt es an unserer Haustür und einmal ist es der Sportverein, ein anderes Mal eine Schulklasse oder die Kirche oder der Sanitätsverein, das Rote Kreuz, der örtliche Fußballclub oder, oder, oder. Für jeweils 5 Kronen wird mein Name auf eine nummerierte Zeile in einem Heft geschrieben und ich kann dann entweder eine Tischdecke, ein Kilo Dorsch, eine Puppenwiege aus Holz, einen Kerzenständer oder ähnliches von Mitgliedern des Vereins gestiftetes gewinnen. Eine andere Losform wird meist bei Veranstaltungen benutzt, die Blitzlotterie. In kleinen Heftchen in unterschiedlichen Farben befindet sich auf jeder Seite jeweils zwei mal ein Buchstabe und daneben eine von 00 bis 99 fortlaufende Nummer dazwischen ist ein Falz, so daß die eine der beiden Hälften als Los abgerissen werden kann, während die andere zum ziehen der Gewinner benutzt werden kann. Auch hier kostet ein Los normalerweise 5 Kronen. Etwas billiger sind die Lose mit 2 Kronen bei der Tombola. Daneben habe ich auch schon nummerierte Losstäbe und ähnliches gesehen. Ich will damit keinesfalls behaupten alle Norweger seien spielsüchtig, zumal mit dem Losen schon im Kindergartenalter begonnen wird, man finanziert so einfach Vereine und Organisationen. Nun könnte man das Geld ja auch direkt spenden, doch die meisten finden, daß das eben einfach nicht so viel Spaß macht. Wir jedenfalls haben immer 50 bis 100 Kronen im Schlüsselkasten für kleine und große Losverkäufer. Es geht uns dabei nicht ums gewinnen, wir sehen es mehr als eine Art freiwillige Steuer, bei der alle gewinnen.

 

19. Dezember

 

Meine kleine Schwester!

Janas Bericht über den 14. Dezember ist, das soll hier nicht verschwiegen werden, zu Teilen ein im Kreissaal von Michael aufgenommenes Diktat, deshalb jetzt sein Bericht über unseren Aufenthalt dort:

Der für die Geburt berechnete Termin, war der 9. Dezember, da unser Paulchen jedoch fast 2 Wochen vor seinem errechneten Termin zur Welt kam, rechneten wir bereits seit Ende November mit der Geburt. Doch gut Ding will Weile haben. Der November kam und ging, der Bauch wurde immer runder, doch sonst geschah nichts. Die erste Woche im Dezember verging ohne, daß sich etwas regte. Auch der 9. Dezember verstrich ohne Geburt. Langsam begannen sich unsere Nerven sichtlich anzuspannen. Nur Paulchen genoß die Zeit mit Pappa zu Hause.

Am Donnerstagvormittag, endlich leichte Wehen und Paul auch noch im Kindergarten. Welch glücklicher Zufall. Doch die Wehen wollen nicht stärker werden. Am Nachmittag fällt uns die Decke auf den Kopf und wir machen uns mit dem Auto auf den Weg zum Krankenhaus nach Ålesund. Dort angekommen heißt es: Das wird sicher eine Geburt heute Nacht, aber gehen sie jetzt am besten noch etwas spazieren. Also los ins nahe Einkaufszentrum, wo wir noch Lebensmittel für Weihnachten einkaufen und jede sich bietende Treppe mitnehmen. Hin und wieder ist jetzt auch schon mal eine etwas kräftigere Wehe dabei. Zurück im Krankenhaus erforschen wir dieses und die Treppen zu den 11 Etagen gründlich. Gegen halb zehn beenden wir unsere Spaziergänge und gegen um zehn kommt dann endlich ordentlich Bewegung in die Sache. Sie läßt sich Zeit bis zum nächsten Tag und tut ihren ersten Schrei schon als noch kaum mehr als der Kopf geboren ist, aber um 0.38 Uhr am 16. Dezember 2005 ist sie endlich da: Marianne Elisa Hoffmann. Mit 3.590 Gramm etwas leichter als damals ihr großer Bruder und mit 50 cm etwas länger. Im Sommer Geburtstag haben kann ja jeder.

Nach einer kurzen Nacht auf einer Untersuchungspritsche machte sich der stolze und gefährlich müde Vater auf den Weg zur ersten Fähre. Die fuhr aufgrund widriger Wetterverhältnis und technischer Pannen nicht nach Plan, aber mit einer Reservefähre erreichte ich schließlich Haramsøy und fiel todmüde ins Bett. Nachdem Paulchen auf Lepsøy abgeholt und die Männer eine unruhige Nacht zu Zweit überstanden hatten, ging es am Samstag mit Christian, Annegret und Arras wieder nach Ålesund. Paulchen durfte seine kleine „Swesta“ begrüßen. Mamma war auf einmal ganz uninteressant, viel wichtiger war, daß das Baby Augen, Nase, Mund, Hals, Haare, Hände und Füße hatte. - Ein Herz und eine Seele und ein wirklich stolzer großer Bruder. Das zeigte sich auch, als er, nachdem Marianne und Jana am Sonntag nach Hause gekommen waren, der kleinen Schwester spontan ein Plüschtier mit ins Bett legte. Auch heute früh als die Kleine sich über irgendetwas beschwerte, war er sofort bereit alle verfügbaren Plüschtiere der reihe nach an sie abzutreten.

 

Am Sonntag auf dem Weg nach Hause. Hier sieht man das Marianne eines von 2 Mädchen ist, das am 16. 12.2005 in Ålesund geboren wurde. Die Gelben Punkte sind Vollmondtage.


Inzwischen sind also alle wieder zu Hause und warten auf den Besuch der am Donnerstag aus Holzhau eintreffen soll. Am Heiligen Abend werden dann auch Christian und Annegret mit in unserer Stube feiern. Wir vier Hoffmänner wünschen euch ein gesegnetes Fest und ein segensreiches 2006.

 

 

 

Jana, Marianne,
Michael & Paul

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