Beitragsseiten

 

 

 

3.5. Die dunklen Jahrzehnte und Licht am Ende des Tunnels – Die Zeit bis zum Anbruch des 21. Jahrhunderts

Mit der Auflösung des Gymnasiums und dem Einmarsch der Deutschen 1938 begann eine dunkle Zeit für Mariaschein. Nachdem die Deutschen die Gegend besetzt hatten, machten sie aus dem Jesuitengymnasium eine Polizeioffiziers- und Schutzpolizeischule. 1938 bzw. 1939[114] brach wohl auf Verbot der „Reichdeutschen“[115] die Wallfahrten ab und auch die Pfarrer der Umgebung erlaubten sich kaum dieses zu unterlaufen.

Die Reichsdeutschen richteten in Krupka, Horni Krupka und Mariaschein Kriegsgefangenen- und Arbeitslager ein und zum Ende des Krieges, am 24. April 1945, erreichte ein Transportzug mit KZ-Häftlingen aus Ossendorf bei Halle den Ort Mariaschein. Die Gefangenen mußten in einem nahegelegenen Tümpel baden und einige tranken wohl auch daraus. 313 Mitglieder des Transport starben jedenfalls anschließend an Lungenentzündung, Typhus oder Erschöpfung.

Nach dem Ende des Krieges wurde die Tschechoslowakei wiedererrichtet und unter anderem mit den nach Präsident Benes benannten Benes-Dekreten versuchte der eben wieder entstandene Staat die vermeintlich Schuldigen an seinem einstmaligen Untergang loszuwerden - seine eigene deutschsprachige Bevölkerung für die seit 1918 die irreführende Bezeichnung „Sudetendeutsche“[116] und heute fast vergessen „Karpatendeutsche“ eingeführt worden war[117]. Bis 1947[118] bzw. 1948[119] war die Vertreibung weitgehend abgeschlossen. Dies hatte für Mariaschein verheerende Folgen: Nicht nur, daß die die Tradition tragende Bevölkerung verschwand und die neu angesiedelt Tschechen meist atheistisch eingestellt waren und mit einem Wallfahrtsort nicht viel anfangen konnten, das Grenzland zu Deutschland[120] wurde in jenen Jahren nahezu entvölkert, so daß ganze Orte von der Landkarte verschwanden. Hinzu kam der landfressende Bergbau besonders in der Region um Most. Die Region um Mariaschein dürfte deshalb bis heute trotz Plattenbauten und verschiedener Ansiedlungsprogramme noch nicht wieder die Vorkriegsbevölkerungszahl erreicht haben.

Trotzdem gelang es den Jesuiten in Mariaschein von 1947 bis 1950 noch einmal eine kirchliche Schule zu unterhalten, das aus Prag hierher verlegte „Bischöfliche Gymnasium“. Doch bereits mit dem kommunistischen Putsch vom  Februar 1948 erschwerte sich auch die Lage der tschechischen Gläubigen und bereits 1949 wurden zwei als Lehrer in Mariaschein tätige Jesuiten verhaftet und in Schauprozessen zu längeren Haftstrafen verurteilt.

Mit der Aktion „K“ gegen die katholischen Männerorden und -kongregationen vom 13. zum 14. April 1950 wurde die Residenz zum Internierungslager der tschechischen Jesuiten. In jener Nacht wurden die Bibliotheken mißhandelt, religiöse Schriften und Lehrbücher vernichtet, Arbeitsmittel und selbst die noch frische Unterwäsche der Patres beschlagnahmt. Mariaschein wurde zum Konzentrationslager für die tschechischen Angehörigen der Gesellschaft Jesu und wohl auch Angehörige anderer Orden. Nachdem die Insassen zu einem Teil entlassen zum größeren Teil aber in andere Lager überstellt worden waren, knüpfte die tschechoslowakische Volksarmee an die Tradition der deutschen Polizeischule an und machte die Residenz zur Kaserne.

1968, dem Jahr des hoffnungsvollen Prager Frühlings, erhielt Mariaschein mit Mariaschein mit Pater Josef Cukr wieder einen Pfarrer, der es in den folgenden Jahrzehnten bis heute prägen sollte. Ihm ist wohl wesentlich der Erhalt der vom Staat weitestgehend dem Verfall preisgegeben Kirche in den kommenden Jahren zu verdanken. Er blieb auch als das zarte Pflänzchen eines „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“,  das der Slowake Alexander Dubcek gepflanzt hatte und auf das sich viele Hoffnungen richteten, von Armeestiefeln zertrampelt wurde. Danach wurde aus der Kaserne, die einst ein Gymnasium und eine Jesuitenresidenz war, statt einer tschechoslowakischen eine sowjetische. Dies blieben die Gebäude auch bis 1991.

Bereits 1961 war der Ort Mariaschein der Stadt Krupka angegliedert worden und 1980 geschah dies auch mit der ehemals der Kirche gehörenden Herrschaft Sobechleby.

Mit der „Samtenen Revolution“ 1989 keimten auch die Hoffnungen der kleinen Anzahl Christen[121] auf Veränderung. 1991 verließ die Rote Armee endgültig Mariaschein und 1993 konnte Pater Cukr die Wiedereröffnung des Gymnasiums miterleben. Krupka bekam nun wieder einen eigenen Pfarrer und Pater Cukr sollte im Jahr 2000 als Gemeindepfarrer von Mariaschein nach 32 Jahren abgelöst werden, um sich 83jährig ganz dem Unterricht in der Schule widmen zu können. Sie ist heute die einzige Schule in Tschechien mit für alle verpflichtendem Religionsunterricht, was ihrem Zulauf jedoch keinen Abruch tut. Der Schulchor ist über die Grenzen Böhmens hinaus bekannt und tritt beispielsweise auch in Deutschland auf und die Kirche entwickelt sich zu einem geschätzten Ort für Konzerte, wie ein Artikel der Sächsischen Zeitung vom 15. Mai 2000 erahnen läßt. Daneben beginnt sich den Schilderungen Pater Cukrs zufolge langsam auch eine tschechische Wallfahrtstradition zu entwickeln, während die Lausitz der „Schmerzensreichen Mutter Gottes“ weiterhin die Treue hält. Ein Zeitungsartikel berichtet von einem Brand in der Wallfahrtsanlage in den letzten Jahren, für den ich jedoch keine weiteren Quellen habe. Belegbar ist nur, daß der Kreuzgang kürzlich restauriert wurde.

Mariaschein mag Blütezeiten hinter sich haben, untergegangen ist es noch lange nicht.

Anhänge:
DateiBeschreibungErstellerDateigröße
Diese Datei herunterladen (HSOK01MA ohne Bilder.pdf)HSOK01MA ohne Bilder.pdfkomplett als pdfMichael Hoffmann963 KB