Nr. 1
Auli ,25. oktober anno domini 2012
„Der Herbst färbt alle Blätter bunt …“ Dies gilt auch für die Hecken und Bäume rund um unser neues Haus in Auli. Der Sommer ist vorbei, der Herbst in vollem Gange und der Winter klopft an die Tür. Auch die Autos haben schon Winterreifen bekommen. Damit wir es am Ende nicht vergessen, unsere neue Adresse ist:

Fam. Hoffmann,
Seljevegen 5,
(N-) 1929 Auli

 


Über Post freuen sich alle Hoffmanns immer besonders wenn es keine Rechnungen sind. Die Telefonnummern für Jana sind gleichgeblieben: (+47) 70 21 79 18 für das Haustelefon und (+47) 90 61 82 14 für die Handys. Micha hat seit dieser Woche eine neue Handynummer durch seine Arbeit: (+47) 40 76 37 23. Doch auch auf der (+47) 97 98 79 61 wird er wohl noch eine Weile antworten.
Unser neues Zuhause in Auli liegt an der Glomma, dem mit 623 km längsten Fluss Norwegens. Von Auli dauert es etwa 45 Minuten mit dem Zug in das Stadtzentrum von Oslo und etwa 35 Minuten mit dem Auto zum Flughafen Oslo Gardermoen.
Die Gegend in der Auli liegt, wird „Romerike“ genannt. Dies kann man frei als das „Römische Reich“ übersetzen. Auch der weite Ausblick von unserem Haus lädt einfach dazu ein. Deswegen haben wir uns als Titel auch für „Römerpost- Nuntia ex imperio romanorum“ also „Nachrichten aus dem Römerreich“ entschieden. Für die Lateiner unter den Lesern: Nuntia plural von neutrum nuntio – die Nachricht. Das Romerike erstreckt sich als dem Erzgebirge verwandte Landschaft von Oslo aus Richtung Nordwesten bis etwa Eidsvoll, wo 1814 das Norwegische Grundgesetz verabschiedet wurde. Der Vollständigkeit halber wollen wir aber zugeben, dass Romerike allerdings nicht von den Römern kommt, sondern eher von „raumarenes rike“ , das rumorende, laute Reich. Doch diese Herleitung ist natürlich nur halb so lustig als die von den alten Lateinern.



Nun sind wir also hier, mittendrin zwischen Wald und wogenden Getreidefeldern, E6 und Stadt, Fluß und alterwürdigen Bauernhöfen. Der Umzug selbst war eine spannende und anstrengende Erfahrung mit einigen Überraschungen. Die letzten Tage vor dem Umzug wohnten wir bereits im Wohnwagen, da das Pfarrhaus eigentlich nur noch aus Kisten bestand und nicht mehr wirklich bewohnbar war.

Wir dachten eigentlich wir hätte noch Übung im Umziehen, aber ach…In die letzten 10 Jahren seit dem letzten Umzug hat sich die Mitgliederzahl der Familie mehr als verdoppelt und die Zahl des „Zeugs“ verfünffacht. Die vielleicht größte Überraschung erlebten wir am 30. Juli nachdem der Umzugswagen mit fast 60 Kubikmetern Umzugsgut abgefahren war: und noch mehrere Kubikmeter mit Umzugsgut auf dem Hof des Pfarrhauses auf Haramsøy standen. Plötzlich mussten alle Pläne über den Haufen geworfen werden. Vieles wurde an Freunde und Bekannte verschenkt. Der Wohnwagen, der uns eigentlich als Nachtquartier für die letzte Nacht dienen sollte, wurde zum Lastenanhänger zweckentfremdet und wir fuhren noch in derselben Nacht los nach Auli. Jana mit 2 jaulenden Katzen auf dem Rücksitz und kleinem aber vollen Anhänger hintendran und Micha mit Karli und Wohnwagen inklusive Übergewicht. (Übergewicht im Wohnwagen…) Die Katzen haben sich bei jedem Gasgeben und Bremsen ganz furchtbar beschwert. Karli sollte bis Dombås munter bleiben und ab dann die restlichen 6 Stunden schlafen. Er muss da aber was missverstanden haben, jedenfalls schlief er BIS Dombås und hat ab ca. Mitternacht die restlichen 6 Stunden durchgequasselt. Und jetzt die Preisfrage: Wer von uns Zweien hat mehr gelitten? Durch einen umgekippten Paketlaster direkt vor uns auf der Autobahn bei Hamar wurde die Fahrt noch extra spannend für ihn. Glücklicherweise hat der Fahrer den Unfall heil überstanden.
Vor Ort angekommen erwies sich die Reduktion unsres Umzugsgutes auch als dringend notwendig. Unser neues Haus bietet zwar insbesondere unseren Kindern mehr Wohnplatz, aber eben auch deutlich weniger Lagerplatz. Bisher ist es nur selten geschehen, dass wir Sachen wirklich vermisst haben. Beim Einräumen fiel uns allerdings auf, wie viel wir wirklich haben. Wir haben inzwischen zwar alle Tassen im Schrank, sind uns aber einig darin, dass es eindeutig zu viele sind. Doch nun hat eigentlich alles seinen (zumindest vorläufigen) Platz gefunden. Der Boden ist voll, die Autos stehen BEIDE in der Garage und die Fahrräder haben eine eigene kleine Garage erhalten. Es ist schon etwas seltsam, zum ersten Mal im eigenen Haus zu wohnen, auch wenn es noch zur Hälfte der Bank gehört.
Bei den abschließenden Arbeiten fand Jana noch etwas das schief war und gerichtet werden müsste. Als Michael damit fertig war stürzte er allerdings unglücklich auf einen Akkuschrauber. So lernten wir mit Hilfe freundlicher Nachbarn noch das kommunale Notarztsystem kennen und inzwischen ist von der Wunde auf der Stirn fast nichts mehr zu sehen. Aus der ehemaligen Abstellkammer ist inzwischen Karlis Zimmer geworden und unser Knirps fühlt sich wohl in seinem eigenen Reich. Doch auch Paul und Marianne genießen ihre eigenen Zimmer auch wenn sie sich gegenseitig oft besuchen. Auch wenn jeder Neuanfang schwer ist, so haben sie inzwischen bereits neue Freunde gefunden. Vieles haben wir nicht mitnehmen können, doch für manches haben wir gleichwertigen Ersatz schaffen können: Statt des Baumhauses gibt es jetzt ein Spielhaus, das auch als Traktorgarage genutzt werden kann. Ein Beet wurde in einen Sandkasten mit richtig weichem Sand verwandelt, der sich deutlich von Steinmehl unterscheidet. Nach Mariannes Aussage schmecken die Kuchen damit auch besser.
Die Katzen durften sich anfangs nur im Haus bewegen. Später wurde ihnen am Band die Gegend gezeigt. Ob dabei die Kinder die Katzen oder die Katzen die Kinder zogen, ist bis heute noch nicht abschließend geklärt. Etwa 6 Wochen sollte die Eingewöhnungszeit dauern, doch schon nach etwa 10 Tagen raubte Trines Miauen Jana den letzten Nerv. Sie gab auf und die neue Katzenklappe wurde eingebaut und bis heute sind die Katzen jeden Morgen wieder heimgekehrt. Meist kommen sie alleine, aber manchmal auch mit toten oder halbtoten gelegentlich aber auch noch quicklebendigen Mäusen und Vögeln. Das kann den Start in den Tag morgens früh um 6 Uhr schon gehörig durcheinander werfen.
Karl geht in einen der beiden Kindergärten des Wohngebiets und hat auch endlich wieder angefangen morgens „mit wehenden Fahnen“ durchs Kindergartentor zu marschieren. Paul und Marianne gehen in die Schule, die ca. 20 Minuten bergab und 45 Minuten bergauf entfernt ist. Marianne ist in der 2. Klasse mit etwa 22 Schülern und Paul in der 4. Klasse, welche geteilt ist und jeweils rund 15 Schüler hat. Sie freuen sich gemeinsam mit Micha „auf Arbeit“ in Richtung Schule zu gehen. Micha geht dann weiter zum Bahnhof und fährt auf Arbeit zur Gehörlosenseelsorge nach Oslo. Dort arbeitet er seit 1. Oktober als eine Art Geschäftsführer und „Mädchen für alles“. Nebenbei lernt er Gebärdensprache und beschäftigt sich mit der Gebärdenkultur. Über kurz oder lange wird er wohl auch Vertretungsgottesdienste dort übernehmen. Im Moment genießen wir es jedoch auch zwei von drei Wochenenden gemeinsam als Familie zusammen sein zu können. Wir gehen fast jeden Sonntag in die dem Wohngebiet nächstgelegene Gemeinde. Das schöne ist, dass dort jeden Sonntag Gottesdienst ist und nicht nur jeden zweiten. Außerdem wird dort nicht nur gesagt, dass Kinder willkommen sind, sie sind es und fast jeden Sonntag gibt es ein Angebot für sie. Diese freikirchliche Gemeinde betreibt seit Jahren eine sehr aktive Kinder- und Jugendarbeit in unserem Wohngebiet. Auch viele unserer Nachbarn gehören dazu und wir fühlen uns in der recht offenen Atmosphäre sehr wohl. Auch die Gemeinde hat keine Probleme mit uns als Lutheranern, sie akzeptiert die Kindertaufe und gleich bei unserem ersten Gottesdienst traf Michael eine Kollegin aus der Staatskirche, die er noch aus Ålesund kennt.
Jana arbeitet wieder in der Hauskrankenpflege vor Ort, allerdings jetzt in einer vollen Stelle und muss nun auch 20 min ins Kommunezentrum fahren, statt nur 5 min bergab zu laufen. Durch dieses mehr an Arbeit und Michas Pendeln ist unser Alltag immer noch recht stressig, gewinnt aber mehr und mehr an Struktur, so dass ihr nun endlich wieder Post von uns erhaltet.

Viele Grüße von den 5 Hoffmanns in Auli
Karl, Marianne, Paul, Jana und Micha

 

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