Inselnachrichten Nr. 5

Haramsøy, 5. April 2004

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Frei überbesetzt: „Viele liebe Grüße an die ganze Welt von Eurem Paulchen.“

Diesmal schreibt mal Micha.

Viel ist passiert nach den letzten Inselnachrichten: Paulchen ist am 8. Februar in Rechenberg getauft worden, hat vieles neues entdeckt und versucht sich mittlerweile auch schon an Brei. Michael hat sich als Seemann versucht und in der Gemeinde Verstärkung erhalten, während Jana das Regime über die Taufkerzen übernommen hat und Haus und Haushalt in Gang hält.

Aber der Reihe nach:

Anfang Februar waren wir 2 Wochen in Deutschland. Die Zeit ging wieder viel zu schnell vorbei. Nach einem Überraschungsbesuch zu (Ur-) Oma Elisabeths 80. Geburtstag feierten wir diesen am 7. Februar in Diesbar. Einen Tag später war Paulchens großer Tag: Aus aller Herren Länder waren sie angereist, aus Tschechien und der Schweiz, aus Østland og Sunnmøre, Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt, um Paulchens Taufe zu feiern.

Die Pfarrerin Frau König war stolz an ihrem Geburtstag ein kleines Menschlein zu taufen, dessen Vater sie selbst vor Jahren getauft hatte. Paulchens Taufspruch steht in Joh 6,35 und er hielt es für notwendig selbst lautstark darüber zu predigen. Daß für den Sonntag eigentlich ein anderer Text vorgesehen war und Frau König gleichzeitig predigte, schienen sowohl sie, „Klein Gottlieb“[1] als auch die Gemeinde mit Fassung zu tragen.

Schlimmer wurde es für den, nun auf den Namen Paul Johan getauften auf dem Familienfest im Holzhauer Eschenhof: „Warum kapieren die nicht, daß ich keine Strumpfhose will?“ Endlich hatten die Eltern verstanden und Paulchen konnte sich seinen Paten Gertraud Beier und Berit Hame aus Oslo, Daniel Neval aus der Schweiz und Christian Siejak sowie allen anderen Gästen von seiner besten Seite zeigen.

Ansonsten hat er Reise und Flug ganz gut überstanden und sich sogar gute Angewohnheiten zugelegt. Er war immer so kaputt, daß er um 20 Uhr ins Bett wollte und hat das erfreulicherweise auch zu hause beibehalten.Unser kleiner Liebling ist sehr wißbegierig. Ständig entdeckt er mehr von seiner Umwelt. Die kleinen Patschehändchen reißen alles an sich was von Interesse sein könnte- Stifte, Einkaufslisten, CD´s, Katzenschwänze, Mama´s Kette, Besteck und natürlich die Fernbedienung. Das lästige Auf-dem-Bauch-liegen kann man zum Beispiel umgehen, in dem man sich dreht und mit Brei im Magen schläft es sich viel ruhiger ( und vor allem länger- Juhu!). Das erste kleine Körbchen mußte bereits dem Gitterbett weichen,  so daß endlich wieder Strampelfreiheit besteht. Getreu dem Motto: Freies Strampeln für freie Paulchen.

 

„In der Badewanne bin ich Kapitän“ ist Paulchens Lieblingslied in der Badewanne. Ende Februar jedoch versuchte sich Michael mit einem anderen Paul als echter Seemann: Paul Haram, der letzte Berufsfischer von Haramsøy, nahm mich mit auf einen Fischzug auf das offene Meer. Früh um 5.30 verließen wir den Storbåthamn bei der Kirche. Der Tag versprach klar zu werden, auch wenn die See nicht ganz ruhig war. Ich wurde für seefest befunden und Paul beichtete mir (als Matrose nicht als Pfarrer), daß er anfangs so seekrank gewesen sei, daß er sich nie hätte denken können Seemann zu werden, aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt...  Der Fang an diesem Tag waren ca. 700 kg Dorsch und ca. 100 kg Seelachs sowie eine gute Anzahl Krabben und einige andere Fische. Das meiste verkauften wir in Ålesund, manches landete jedoch auch bei der Inselbevölkerung oder bei Jana, die sich bis spät in die Nacht fleißig im Filettieren üben konnte. Es war sehr schön die Kraft und den Reichtum des Meeres zu erleben. Paul ist mit seinem kleinen Fischerboot fast schon ein Anachronismus. Alle anderen fischen auf großen Trawlern, aber er ist irgendwie mit seinem Boot verheiratet. Heute fischt er allein entlang der Küste, von der Finnmark bis Skagerak. Früher waren sie mindestens zu dritt auf einem Boot, aber seit die Fänge  und Preise schlechter und die Technik besser werden, ist er nur noch allein unterwegs. Für ihn war es schön einen Tag wieder mit Mannschaft zu fahren und ich habe einen Eindruck davon bekommen, wie das Leben hier über hunderte von Jahren gewesen sein muß. Haramsøy ist sehr schön von der Seeseite und das Meer ist mächtig gegen ein kleines Boot. Nächstes Jahr werde ich wohl wieder für eine Fahrt bei ihm anheuern.

 


Ja, was macht die Arbeit? Der Umzug des Pfarrbüros hat sich als kluger Schachzug erwiesen. Wir hatten genügend Platz und ich habe in der Gemeinde Verstärkung erhalten: Rita Kvinge hat eine halbe Stelle als Diakoniemitarbeiter für Kinder- und Jugendarbeit angetreten. Nach fast einem Jahr Rekrutierungsarbeit ist das auch ein bißchen mein Erfolg. Rita ist „nur“ Diakoniemitarbeiter, da sie zwar verschieden Erfahrungen aus den Gesundheitswesen und ehrenamtlicher Arbeit hat, aber keine ausgebildete Diakonin ist. Durch sie ist es endlich möglich auch auf Fjørtoft eine Sonntagschule zu haben. Die Taufschule und ein Bibelcamp sind weitere Projekte an denen sie arbeitet.

Meine diversen Schul- und Kindergartenbesuche auf allen vier Inseln erspare ich Euch lieber, erwähnt sei nur, daß wir auf Fjørtoft an einem ganz speziellen Gottesdienst arbeiten, da es dort dieses Jahr keine Konfirmation gibt. Mehr dazu in der nächsten Ausgabe.

Von unserem Kirchenblatt „Heim og Hamn“[2] mußten wir uns leider verabschieden, Druck- und Verteilungskosten waren in letzter Zeit geradezu explodiert. Wir haben nun statt dessen regelmäßig zwei Seiten in der Lokalzeitung „Haramsnytt“, die dann sieben mal im Jahr an alle Bewohner der Kommunen Haram und Sandøy verteilt wird. Zusätzlich dazu sollen wir für jede Freitagsnummer eine Andacht liefern. Nun bin ich derjenige, der diese Liste verwalten soll. Mehr Arbeit, aber eine wunderbare Chance  zur Verkündigung.

Ab dieser Woche halten wir auch wieder die Kirche auf Haramsøy den ganzen Sommer hindurch offen. Letztes Jahr haben sie so mehr als 400 Leute zum Gebet und zur Andacht oder auch zur Besichtigung besucht. Die Kirche gehört nicht uns, sondern Gott und seiner Gemeinde. Eine offene Kirche ist erwiesenermaßen sicherer als eine verschlossene.

 

Wir haben uns vorgenommen uns in Zukunft stärker um die Alten und Kranken unserer Gemeinde zu kümmern. Durch Auds Krankmeldung und meine Einarbeitungszeit haben wir hier ein erhebliches Potential unseren Dienst zu intensivieren. Letzte Woche waren Aud, als Diakonimitarbeiter, Klöckner, Kontorhilfe, Personenregister und meine Hilfe in fast allen Situationen des Pfarrdienstes, und ich unterwegs. Wir haben alle Bewohner unserer Inseln besucht, die in Pflegeheimen und anderen Institutionen auf dem Festland untergebracht sind. Zu manchen bekamen wir kaum Kontakt, aber wir haben auch viele strahlende Augen erlebt.

 


Jana unterstützt mich trotz Paulchen kreativ in der Gemeindearbeit. Neben Predigtideen und der Verantwortung für meine Bodenhaftung hat sie nun auch die Aufgabe der Lieferung von Taufkerzen übernommen. In guter Dippser Tradition sind diese nun schön bunt und auch die hier neue Praxis der Taufsprüche wird gut angenommen. Ansonsten stehen einige Konzerte mit dem Chor vor der Tür. Für die wird jede Menge geübt und das bedeutet Mamafreie Abende für Paulchen.

 

 

Nun steht Ostern vor der Tür. Im Garten habe ich wieder einige Bäume gefällt und bin dabei sie zu Feuerholz zu verarbeiten. Einige Predigten sind schon fertig und für die noch verbleibenden zwei wird es langsam Zeit.

Aus Hermsdorf versuche ich dieses Jahr die Osterwanderung zu übernehmen. Am Ostersonntag werden wir früh um acht auf dem alten Kirchplatz draußen auf Haram mit einer Andacht beginnen. Dann geht die Wanderung nach Åkre, wo wir in einem der ältesten norwegischen Bedehäuser, das fast stillgelegt ist, frühstücken werden. Den Abschluß bildet der Gottesdienst um elf in der Kirche mit zwei Taufen und Abendmahl. Neben diesen gibt es insgesamt noch 5 Gottesdienste und drei Taufen innerhalb einer Woche, so daß ich mir danach erst einmal ein freies Wochenende verdient habe.

Wir wünschen allen ein frohes Osterfest!

Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!

 

Viele Grüße von Jana, Paul und Michael

 



[1] Freie Übersetzung von Paul Johan ( Paul = der Kleine, Johan = Gott ist gnädig)

[2] Deutsch: Heim und Hafen

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