Inselnachrichten Nr. 14
Haramsøy, 2.Dezember 2006
Advent, Advent ein Lichtlein brennt. Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier, dann steht das Christkind vor der Tür. Advent ist schön. Räuchermännl, Pyramidenlicht, Plätzchen und Stollen. Erwartungsvolle Kinderaugen vorm Adventskalender, alte Weihnachtsplatten, Lichter in den Fenstern und Kaminfeuer. Ggrdfslfhdfölh-kgflkmhgd,mm -lklur4ü.!!!!!!????
Er hat uns gepackt. Wer? Der Weihnachtsstreß. Der erste Advent ist erst am Sonntag, aber mit drei Wochen ist die Adventszeit einfach viel zu kurz um Platz für all das zu bieten, was in in ihr untergebracht werden soll: Julemesse sowohl auf Haramsøy als auch auf Longva, Adventskonzert von Janas Chor, Schulgottesdienste, Kirchenwanderungen, normale Gottesdienste, Übung fürs Krippenspiel ... Der ganz normale Adventswahnsinn einer Pfarrfamilie halt. Der Plan ist, daß es dieses Jahr alles etwas entspannter werden soll, da Jana bis Neujahr noch mit Marianne zu Hause ist, aber wie das Leben so spielt haben sich wieder neue Projekte angesagt, die uns ordentlich auf Trab halten. Aber zumindest Räuchermännl, Pyramidenlicht, Plätzchen und Stollen sind vorhanden. Und erwartungsvolle Kinderaugen vorm Adventskalender, alte Weihnachtsplatten, Lichter in den Fenstern und Kaminfeuer auch.
In guter erzgebirgischer Tradition unternimmt Jana mit ihrer Barneforening den Versuch ein Krippenspiel auf die Beine zu stellen. Die Barneforening ist am ehesten vielleicht mit der sächsischen Christenlehre zu vergleichen. Es sind etwa 15 bis 20 Kinder im Alter von etwa 7 bis 10 Jahren und sie wird von Ehrenamlichen gehalten und geleitet. Aller 14 Tage trifft man sich zu Bibelgeschichten, Gebet, Spielen, Verlosung und man sammelt für ein Missionsprojekt.
Das Krippenspiel erwarten sie mit freudevollem Grauen.
Es wird mit Sicherheit jede Menge schiefgehen. Die Kinder werden zu leise sprechen, wenn sie sich überhaupt dran erinnern, was sie sagen sollen und zur falschen Zeit auf- und abtreten. Die älteren Leute werden sich beschweren, daß sie nichts verstanden haben und mindestens einer wird plötzlich krank werden. Aber die Kostümen werden einmalig sein ( gesammelte, nahöstliche Originale aus dem Hoffmannschen Fundus) und die Atmossphäre andächtig und viele werden beim Heimweg glänzende Augen haben. Es ist ja glücklicherweise eine bekannte Geschichte.
Der erste Advent wird hier mit einem Adventskonzert in der Kirche eingeläutet. Da spielt und singt alles was auf Haramsøy und Longva irgendwie mit Musik beschäftigt ist: die Bigband, die zwei Schulkorpse der 2 Inseln, der Kinderkirchenchor und der „Dorfchor“. Anschließend geht’s zum Anzünden des Weihnachtsbaumes auf dem Dorfplatz. Es gibt Gløgg, eine Art Glühwein, aber ohne Wein natürlich, also nur -Glüh...- und auch wieder „Livemusik“. Und weil der letzte Teil unter freiem Himmel stattfindet gibt’s auch meistens schlechtes Wetter.
Am Sonntagnachmittag, dem 2. Advent wird Michael in der Kirche von Spjelkavik in Ålesund den zweiten deutschsprachigen Gottesdienst halten. Zum ersten kamen im Oktober etwa 20 Besucher, fast die Hälfte davon waren Kinder. Ziel ist es den in Sunnmøre lebenden Deutschsprachigen ein Netzwerk und eine Heimat in der Kirche anzubieten, auch wenn sie auf dem Kontinent vielleicht nicht so ein enges Verhältnis zur Kirche hatten. Wir erinnern uns selbst noch gut daran wie wichtig die Gemeinde in Helgerud in Bærum in unserem ersten Jahr in Norwegen für uns war. Und lecker Essen gibt’s im Anschluß auch.
Wenn Weihnachten dieses Jahr etwas plötzlicher als sonst über uns hereingebrochen ist, liegt dies vielleicht auch daran, daß wir im November noch einmal nach Deutschland, Prag und noch weiter nach Süden, nach Libyen reisten.
Das erste Wochenende im November verbrachte Michael wie schon seit fast zehn Jahren wieder in Prag beim Verein der Freunde der Evangelisch Theologischen Fakultät.
Quo vadis, theologia Pragensis? – Wohin geht die Theologie in Prag? Unter dieser Überschrift stand diesmal das Treffen.
(Vorsicht, folgender Abschnitt ist für die Theologen unter Euch:)
Eine mögliche Antwort auf diese Frage präsentierte Prof. Jakub S. Trojan anhand seines neuesten Buches: „Ježíšův příběh – výzva pro nás“ („Jesu Leben- Eine Herausforderung für uns“). In der Vorstellung und Diskussion über diesen Entwurf, distanzierte sich der Ethiker Trojan deutlich von den liberalen Theologen des 19. und 20. Jahrhunderts. Gleichwohl möchte er das Leiden und Sterben Jesu vor dem Hintergrund Jesu Lebens und weniger Jesu Auferstehung verstanden wissen. Das Leiden stelle einen Pol des Lebens dar während die Auferstehung der andre sei.
Das Treffen und die Diskussion bot neben dem fachlichen Austausch auch die Möglichkeit mit der jüngeren Generation Prager Theologen, der die Co-Referenten angehören, besser bekannt zu werden. Es bleibt zu hoffen, dass Trojans Buch bald auch auf Englisch oder Deutsch vorliegen wird.
Als Michael wieder nach Deutschland kam begann bereits das Packen für eine große Reise: Libyen. Oder wie es für Paule hieß: auf Arbeit. Denn die Kinder hatten derweil eine Woche Urlaub bei Omi und Opa Klaus gebucht. Mit auf der Wunschliste stand Zugfahren und Baden gehen. Paule gefiel es sichtlich bei der Omi, kein Wunder, denn sein Plan war übererfüllt. Was kann man als zugbegeisterter Junge mehr erwartet als eine Zugfahrt mit einem echten Bahnangestellten von Pirna nach Dresden zur Eröffnung des restaurierten Hauptbahnhofes, wo man mit kleinen Spiel- ICE- Zügen herumfahren konnte? Paul fragt schon wann er mal wieder die Omi besuchen kann, diese hat sich jedoch zumindest 2 Wochen Pause erbeten: Man ist eben doch keine 25 mehr, meint sie. Und außerdem wird das das Nächste mal eine teure Angelegenheit, denn sowohl Omi als auch die Uroma Balda meinten, daß wir das nächste Mal „Kostgeld“ (Essengeld?) mitgeben müssen, wenn wir die Kinder abgeben. Besonders Marianne hätte gegessen wie eine „siebenköpfsche Raupe“...
Die Eltern konnten also ganz beruhigt verreisen: Von 1984 bis 1986 hatte Michael mit seinem Bruder Martin und seinen Eltern in Zawia in Libyen gelebt, wo seine Eltern in der Kinderklinik des örtlichen Krankenhauses arbeiteten. Ghadafi brauchte damals Ärzte und die DDR Dollar, also half man sich gern. Für die Jungs war es eine wichtige Erfahrung fürs Leben und ein schöne, besondere Zeit in ihrem Leben. Am Ende dieser Zeit waren beide semmelblond, braungebrannt und um eine Perspektive reicher. 1986 war man nach einigen Querelen innerhalb des DDR-Teams und der sich zuspitzenden Krise zwischen den USA und Libyen froh über die Ausreise. Wenige Wochen danach bombardierte die US-Luftwaffe Tripolis und Benghasi .... Trotzdem sind auch viele schöne Erinnerungen geblieben. Das ist jetzt 20 Jahre her und sie wollten es gerne noch einmal wiedersehen.
In einer sehr intensiven Woche bereiste unsere kleine Reisegruppe, die aus Michaels Mutter Barbara und Norbert, Martin und seiner Frau Manja, dem örtlichen Reiseleiter Sami, dem Polizisten Sami und uns beiden bestand, den westlichen Teil des Landes. Tripolis, Sabratha, Zawia, Qasr al Hadj, Nalut, Ghadames, Cabao, Jadu, Gharajan, Leptis Magna, Zliten und Surman waren Stationen der Reise. Auch wenn es im Vorfeld ein paar Probleme durch gestrichene Charterflüge gegeben hatte, können wir das Reisebüro Profiteam (www.profiteam.de) und besonders deren libysche Partneragentur Blue Sahara mit unserem Guide Sami nur wärmstens empfehlen. Das meiste, was Hoffmanns damals innerhalb von 2 Jahren erkundet und angesehen haben, haben wir innerhalb einer Woche geboten bekommen. Man brauchte nur einen Gedanken denken- Sami hat alles möglich gemacht, in Erfahrung gebracht und rangeschafft. Und hatte zum Schluß trotzdem immer noch eine Überraschung im Ärmel. Unvergessen ist der Abend und das Essen im Altstadtlabyrinth der Oase Ghadames und unser letzter Abend mit „Liveband“.
Vieles hat sich in Libyen verändert. Vieles davon, wenn auch nicht alles, zum Besseren. Es gibt mehr Menschen, in 20 Jahren hat sich die Bevölkerungszahl fast verdoppelt. Man glaubt es kaum, aber Barbara konnte uns anderen versichern, daß gerade in den Städten weniger Müll herumliegt als damals. Seit Handel und Import wieder erwünscht sind, blüht auch das Leben in den Straßen. Seit 15 Jahren benutzt man auch die uns geläufigen arabischen Zahlen, nur auf einigen Geldscheinen und Münzen finden sich immer noch die „neuarabischen“ Ziffern von vor 20 Jahren - für uns fast unlesbar. Es gibt jede Menge Ausländer im Land: Ägypter, Tunesier, Algerier, Marokkaner und viele Schwarzafrikaner, viele sind gekommen um zu arbeiten in dem Land im Norden, welches das stabilste und wohlhabenste Land Afrikas ist. Ghadafi als „Großer afrikanischer Führer“ hält sein Land relativ offen, aber dadurch steigt auch die Arbeitslosigkeit. Überall wird gebaut. Wo früher kilometerlang nichts als Plantagen und Olivenhaine waren, stehen heute Wohnsiedlungen. Das Wohnhaus in Zawia steht noch, genauso wie das Krankenhaus und die Schule, die Kinderabteilung und die Schule sind inzwischen geschlossen. Zawia selbst ist um einiges größer geworden, eine Großstadt. Trotzdem war vieles noch so wie in der Erinnerung. Michael beeindruckte Sami als er ihm aus dem Gedächtnis den Weg von der Hauptstraße zum Souk und vom Souk durch das Stadtzentrum weisen konnte.
Die Libyer beginnen den Tourismus als Einnahmequelle zu entdecken, so daß uns auf unserer Tour regelmäßig 3 andere Kleinbusse mit Niederländern, Franzosen und Deutschen (immer die Gleichen) begegneten. Man will keinen Massentourismus, trotzdem ist es schön, daß die Speicherburgen, Museen und andere Sehenswürdigkeiten wieder erhalten und in Stand gesetzt werden. Sehr angenehm war es auch mit Sami einen Dolmetscher und Führer dabei zu haben, der uns auch vor Ort ortskundige Führer organisierte und uns jeden Tag zweimal in guten Restaurants verwöhnen ließ. Libyen ist ein sehr sicheres Land und die Libyer sind sehr freundlich und offen. Hier ist man Gast des Landes, überall wird man angelächelt, die Leute freuen sich daß man sich für ihr Land interessiert und man gehört nach kurzer Zeit zur Familie. Aber alles ohne aufdringlich zu werden, wie es einem in anderen arabischen Ländern passieren kann und man vergisst ganz, daß man ein Stück Tourist ist. Alle Reisegruppen müssen einen „Aufpasser“ mitnehmen, einerseits um das Land vor den Touristen zu schützen, und zum anderen um ihnen ein Gefühl der Sicherheit im Papierdschungel an den regelmäßigen Straßenkontrollen zu geben. (In Norwegen heißen die Bomstasjon =Mautstelle und man kann direkt bar bezahlen.) Der Chef der libyschen Reiseagentur bezeichnete die Aufpasser auch kurz als die libysche Form der Kurtaxe. Unserer war jedenfalls kein unangenehmer Zeitgenosse, er hat auch nur 3 Tage gebraucht um mal zu lächeln und die allgegenwärtige Lederjacke abzulegen.
Wir verbrachten 2 Tage in antiken Ausgrabungsstätten. Es ist ein beeindruckendes Erlebnis Geschichte so hautnah zu erleben. Wir wandelten auf römischen Straßen deren Zustand auch nach 2000 Jahren noch besser als der mancher im Erzgebirge ist. Wir saßen Probe auf den Latrinen, besuchten das Erlebnisbad von damals und gingen durch die Besucherränge im rekonstruierten Theater von Sabratha. Zitat Barbara: „Jetzt seid ihr für Rom versaut.“ Hier ist alles echter, größer, weitläufiger und lange nicht so überlaufen.
Beeindruckend waren auch unsere 2 Tage in der Wüste. Und ja, es ist wie im Film. Kamele, Steinwüste, Sanddünen, Trockenheit, dazwischen ein Tuareg mit Herde und dann wieder lange, lange gar nichts. Und Oasen natürlich, mit Dattelpalmen.
Wir haben auch einige Speicherburgen erkundet, beeindruckende, archaische Bauwerke der Berber. Dort haben die umherziehenden Wüstenbewohner Getreide und Olivenöl gelagert und bewacht. So viele Informationen in kurzer Zeit. Noberts Stoßseufzer am Ende eines langen Tages: „ Uff, ich will jetzt keine Speicherburg mehr sehen.“ Alles in allem eine sehr gelungene Reise und wir freuen uns, daß wir mitfahren und das alles erleben durften.
Vieles auf dieser Reise erinnerte Michael an Gaza, wo er letztes Jahr war. Die Verhältnisse dort sind inzwischen sehr schlimm geworden. Vor einer Woche ist dort der Mann von Fatimas Bruder in ein Feuergefecht geraten und erschoßen worden. Er war nur 4 Monate verheiratet. Glücklicherweise ist es mit vereinten Kräften und einem Quäntchen Glück Ende September gelungen unseren Trauzeugen Abed und dessen Frau Fatima über Ägypten nach Dubai ausfliegen zu lassen. Dort haben sie bei wenig Schlaf und für europäische Verhältnisse langen Arbeits- und Reisezeiten erst einmal ein Auskommen und für drei Jahre Sicherheit gefunden. Das Leben für sie ist nun anstrengend aber sicher und vielleicht gelingt es uns ja Abeds Traum zu erfüllen und sie nächstes Jahr nach Europa zu uns nach Norwegen holen.
Eins dürfen wir nicht vergessen: Die Feier von Pauls Geburtstag mit Kindergartenkrone und Kindergeburtstag mußten wir dieses Jahr um ein paar Tage vorverlegen, da die Fluggesellschaft ihre Pläne geändert hatte und wir so 3 Tage früher als geplant, genau an seinem Geburtstag, nach Deutschland abreisen mußten. Der Kindergeburtstag am Samstag zuvor war auch ohne Ritterschlachten und Berge von Süßigkeiten ein voller Erfolg. Zu den kleinen 8 Gästen, die ohne ihre Eltern gekommen waren, gehörte auch Pauls allerallerbeste Kindergartenfreundin Ida. Begrüßt wurden die Gäste vom Clown Christian, dann gab es „Würschtel“ und später den Geburtstagskuchen. Beim Puppenspiel über den kleinen Elefanten Trööt, der seinen Teddy am Strand verloren hatte, waren alle voll dabei und brachten den Teddy noch vor dem Endes des Stückes wieder zurück. Als anschließend die Plüschtiere verlost wurden, waren es Ida und Paul die als einzige zwei gleiche Plüschtiere, die Krabbenbrüder Krib und Krab gewannen. Natürlich wurde auch in Deutschland noch etwas nachgefeiert, Paule hatte 2 Wochen lang Geburtstag.
In der Gemeinde Haram scheint es langsam wieder vorwärts zu gehen: Nach einer sehr intensiven Andacht mit anschließendem Gespräch (Thema: Warum sind wir eigentlich hier? Was wollen wir?), das eine ganze Sitzung einnahm, sucht man nun nach gemeinsamen Zielen und geht bereits vorsichtig die ersten kleinen Projekte an.
Die Gemeinde Fjørtoft ist dabei sich in Kovanec in Tschechien für 4 Jahre eine Partnergemeinde zuzulegen und möchte diese nächstes Jahr auf einer Gemeindereise die über Prag, Holzhau und Berlin geht besuchen.
Ab Januar gehört Jana wieder zur gegen Bezahlung arbeitenden Bevölkerung. Sie freut sich schon darauf ihre Kollegen wieder um sich zu haben. Marianne ist derweil bei einer Tagesmutter, die Frau mit der Jana die „Christenlehre“ macht. Erstmal werden es 2 bis 3 Tage die Woche sein. Zwar hat das Krankenhaus schon angefragt, ob Jana bald wieder dort arbeitet, aber wir werden erstmal bis zum Sommer damit warten. Auch wenn sie Lust hat, die 60% Stelle in der Hauskrankenpflege reicht erstmal, alles andere wird mehr Streß und Fahrerei.
Ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein gesundes Neues Jahr!
Marianne, Paul, Jana und Michael Hoffmann
P.S. Inzwischen ist auch unsere Homepage www.hoffmannfamilie.net mit größeren Fotos wieder auf einem aktuellen Stand. ☺