Inselnachrichten Nr. 15

Haramsøy, 29. Mai 2007

 

Es gibt uns noch im hohen Norden, auch wenn diesmal die für Ostern angedachten Inselnachrichten bis nach Pfingsten auf sich warten ließen.

Seit etwa zwei Wochen ist unsere Familie nach einer Deutschlandtournee jetzt auf Haramsøy wiedervereint. Damit zieht für unsere Kinder wieder ihr gewohnter Alltag ein ( und ein anderer Wind – die Süßigkeitenreduktion beträgt wahrscheinlich um die 80%!!!). Am 22. April war Michael gleich im Anschluß an die Konfirmation seines einen Konfirmanden auf Fjørtoft mit den Kindern alleine nach Deutschland gereist. Trotz erheblicher Flugverspätungen erging es sowohl dem Vater als auch den Kindern gut, die sich von ihrer besten Seite zeigten. In Oslo- Gardermoen gibt es da neuerdings eine klasse Spielabteilung mit jeder Menge quietschbuntem und möglichst lautem Plastespielzeug…

 

Die nächsten zwei Wochen nutzte die Oma in Holzhau so viel Zeit wie möglich mit ihren Enkeln zu verbringen. Dadurch konnte der Vater der Kinder sich ins Holzhauer Dorfleben stürzen und alte Freundschaften pflegen. Durch das schöne Wetter kam dabei richtig Urlaubsstimmung auf. Sie verbrachten ganze Tage draußen im Garten und sind richtig lecker knusprig- braun geworden. Nur die „Mamamamamam“ fehlte Marianne doch hin und wieder. Wir hatten gehofft, dass sie vielleicht im Urlaub endlich mit Laufen anfängt, aber wozu auch ? Es gab ja in Holzhau ein Laufauto…

Ein Höhepunkt war sicher der Besuch im Leipziger Zoo. Da unsere Kinder bekennende „Elefant, Tiger & Co“ Fans sind und auch seit unserem letzten Zoobesuch schon wieder einige Jahre vergangen sind, war es sehr spannend alles einmal live zu sehen. Mit Opa Norbert als seinen persönlichem Assistent (für die bessere Aussicht z.B.) hatten es

 

Paule besonders die Elefanten angetan. „Die ham so ein Reifen gehabt und den immer rumgeschmissen und Quatsch gemacht! Hihi! “

 

Zur Taufe des kleinen Jakob Redeker trafen wir uns dann alle vier in Nordthüringen. Es war gut mit unseren Kindern dort auf dem schönen Weidt’schen Bauernhof Zuflucht zu finden. Die Kinder konnten sich auf dem Hof austoben, die Tiere beobachten (Bienen beim schlüpfen: Paul: „Und dann ist die Biene aus dem Stein gekrabbelt!“) und ihren gewohnten Tagesrhythmus beibehalten. Und wir konnten so doch recht entspannt feiern. Marianne hat dort

auch von „Charlie“ ihr 3. Wort gelernt: „Wou! Wou!“ Doch nach nur 2 gemeinsamen Tagen mußten die Kinder „Ha det!” zu ihrem Papa sagen, der sich zu Hause noch um seine 24 Konfirmanden auf Haramsøy kümmern mußte. Diese hatten mit Vehemenz durchgesetzt alle in nur einem Gottesdienst konfirmiert zu werden. Da die Kirche bereits im Jahr zuvor bei nur 17 Konfirmanden reichlich überfüllt war, bereitete dies dem Pfarrer doch einige Kopfschmerzen (u.a. wegen Brandschutz). Zusätzlich hatte auch noch unsere Kirchendienerin gekündigt um sich besser um ihren kranken Mann kümmern zu können. Doch mit Hilfe von Tom, Geir, Bård, Peder und einigen anderen treuen Kirchgängern gelang es uns die Kirche optimal zu füllen und trotzdem die Fluchtwege freizuhalten. Keiner mußte abgewiesen werden, da wir vorher noch eine Videoübertragung in die Kirchenstube neben der Kirche organisiert hatten. Dies wurde dann besonders von Familien mit kleinen Kindern genutzt. Es war also möglich sich voll und ganz auf den Gottesdienst zu konzentrieren. Insgesamt wird der mit insgesamt 33 Konfirmanden bisher größte Konfirmandenjahrgang zwar als anstrengend aber trotzdem positiv in Erinnerung bleiben. Immerhin haben wir von den 8 Konfirmanden auf Lepsøy 3 im Laufe des Jahres getauft. Auch sieht es so aus als ob 3 oder 4 der Konfirmanden Interesse an einer ehrenamtlichen Mitarbeit in der Gemeinde haben könnten. Dieses Jahr mit so vielen Konfirmanden war anstrengend aber auch schön. Gemeinsam mit Christian und wachsender Erfahrung haben wir inzwischen einen ziemlich guten und spannenden Unterricht auf die Beine gestellt. Es ist aber auch gut, dass das nächste Jahr mit insgesamt nur 18 Konfirmanden wohl etwas ruhiger wird.

 

Jana und die Kinder hatten derweil noch eine Woche Hennersdorfurlaub, von der Marianne wohl die meiste Zeit im „Wanl“ - Bollerwagen verbracht hat; da sie immer noch nicht laufen gelernt hatte. Wozu auch? Es gibt doch einen großen Bruder der das „Wanl“ zieht!

Zusammen mit Oma Viola und Rüdiger ging es dann nach zu dem Großeltern in Schmiedefeld in Thüringen. Leider war das Wetter für ein „ordentliches“ thüringisches Grillfest zu naß, aber Rostbrätel und Würstel geht immer, auch wenn man sie dann drinnen isst.

Marianne wurde leider krank und so konnte sie nicht mit zur Taufe des zweiten Jakobs ( Siejak) am Samstag, 12. Mai mit, zu der Jana als Taufpatin eingeladen war. Aber sie war ja auch bei den Großeltern in besten Händen und hat es gekonnt geschafft den Opa Heinz um den Finger zu wickeln.

Heimwegs Richtung Norden haben wir uns dann bei Möckers in der Nähe von Berlin Zwischenstation gemacht. Die haben auch zwei so kleine Zwulche und wir konnten für den Sommer den Ernstfall proben, denn dann kommen sie uns besuchen. Moral: Einer schreit immer, aber mit genügend Apfelbooten kommt man weiter!

Jetzt sind wir alle wieder zuhause aber der stinknormale Alltag will einfach nicht einkehren hier. Dabei würden wir so gerne mal wieder langweilig sein und abends vorm Fernseher hocken und uns einfach nur anschweigen.

Aber ne! Kaum zuhause brach über uns DAS norwegische Volksfest herein.

 

Daß dieser Tag dieses Jahr mal gleichzeitig auch Christi Himmelfahrt war, ging hierzulande fast unter, da dieser Tag hier vor allem der „Syttande mai” also der „17. mai“, der Nationalfeiertag, ist. An diesem Tag wurde1814 das Norwegische Grundgesetz verabschiedet. 1814 war Norwegen nur wenige Monate von Dänemark unabhängig, bevor es nach dem Wiener Kongreß unter schwedische Herrschaft geriet. Doch durch das Grundgesetz gelang es 1905 sich mit Hilfe einer Volksabstimmung friedlich von der schwedischen Oberherrschaft zu befreien.

 

An diesem Tag feiern die Norweger sich selbst und ihr Land. Wir haben noch nirgendwo einen Nationalfeiertag erlebt, der so innig und fröhlich gefeiert wird, wie der norwegische. Bereits in unserem ersten Jahr hier auf Haramsøy wurden wir in das Festkomitee berufen, das sich um die Ausrichtung eines Volksfestes kümmert, das irgendwie eine Mischung aus Republikgeburtstag und Rummel ist. Zuerst steht morgens ein Festgottesdienst mit anschließender Kranzniederlegung am Kriegsdenkmal. Dann gibt es einen Umzug mit Fahnen, Korpsmusik, Kindergarten, Schule und Vereinen durch den Ort zur Schule- auch gerne am Altersheim vorbei wo es eins gibt. Neben einem Kinderfest mit 60m Lauf, Hufeisen- und Ballwerfen, Dreiradwettfahrt usw. gibt es etwas später dann ein Fest für die Erwachsenen mit kulturellen Beiträgen und einem Redner. Am 17. Mai geht man traditionell in Tracht und dieses Jahr haben wir zum ersten Mal unsere erzgebirgischen Trachten angezogen und sind damit interessiert und freundlich aufgenommen worden. Zum Nationalfeiertag sind alle die sich mit Norwegen identifizieren können herzlich willkommen. Bereits nach zwei Jahren wurde Christian auf Lepsøy als Festredner angefragt und konnte sich dieser Ehre nur durch ein Familienfest in Deutschland entziehen. Es ist fast ein bißchen unheimlich (und für Ossis mit Beigeschmack), aber auch irgendwie schön: diese Begeisterung der Norweger für ihr Land, mit der es ihnen gelingt die meisten hier Lebenden früher oder später mitzureißen.

 

Weiter ging es mit Wochenenddienst bei Jana, die sich vor allem dadurch auszeichnen, dass die Kinder jongliert werden müssen und dass an Janas Wochenenden IMMER was extraordinäres passiert (unverschuldet!!!). Sie teilt sich immer mit der gleichen Kollegin das Wochenende und die beiden erwägen schon die Trennung ;-) Wenn es keinen Todesfall gibt, dann eine Krankenhauseinweisung, bevorzugt wegen Knochenbrüchen oder die Computer fallen aus oder so etwas in der Richtung. An diesem Wochenende hatte wir sowohl mit dem Ersten als auch dem Zweitem zu tun, die Computer fielen dann erst am Montag aus…

 

Das Pfingstwochenende waren die Damen in der Familie bei Lillestrøm (Oslogegend) zu einer weiteren Taufe geladen, bei Gerti, Per und der kleinen Sofia Helene, von der Jana auch Taufpatin sein darf. Hier zuhause brach derweile die absolute Männerwirtschaft aus: Paul und Papa alleine zuhaus, mit tatkräftiger Unterstützung von Jana´s Bruder Kay. Der ist seit etwa einer Woche hier und hat hier eine Arbeit bei einer Dachfirma gefunden. Bisher klappt da alles ganz gut, er arbeitet jetzt an seinem Norwegisch und wird Ende Juni nach Ålesund ziehen um den langen (und teuren- Wegezoll und Fähre und 130 km täglich!) Arbeitsweg zu umgehen.

Dieses Wochenende fährt Janas Chor 5 Inseln weiter südlich zu einem großen, regionalen Chortreffen, übernächste Woche ist Micha auf Dienstreise in Oslo, dazwischen ist jeden Abend etwas anderes und danach brauchen wir wirklich Ferien ;-) Die gibt’s dieses Jahr wieder in Frankreich auf`m Campingplatz…

 

Eigentlich haben wir unser Auslandsreisekontingent dieses Jahr schon wiedermal schamlos überschritten. Deutschland, mehrmals Oslo, Frankreich und im Februar waren wir ja auch noch in Dubai und haben Abed besucht, der dort arbeitete. Angenehm warm war es dort, für uns nicht gerade Sonnenverwöhnten, an der Grenze zu „zu warm“. Und das im Februar. Was haben wir dort erlebt? Außer dass wir bei einem Kamelrennen (als Zuschauer) waren und von den Kameltreibern zum Tee eingeladen waren, können wir eigentlich nicht viele typisch arabischen Dinge aufzählen. Denn es leben dort viel, viel mehr Inder und Asiaten als Araber. Dubai ist eine Boomtown aus Beton und Glas in 20 Stockwerken, mittendrin gibt es immermal eine winzig klein wirkende Moschee zwischen allen Hochhäusern, aber ansonsten nicht viel traditionelles Bauwerk oder Leben. Die Shoppingmalls, für die die Stadt bekannt ist, sind „wie im Fernsehen“: prunkvoll, teuer, groß, größer, am größten. Wir waren z.B. in der Ibn Batuta Mall, in der es entsprechend den Reisen des Weltenerforschers namens Ibn Batuta, mehrere „Länder“ (Abteilungen) gibt: Persien, Ägypten, Andalusien, China, etc. mit entsprechendem Baustil, Sternenhimmel, Mosaiken, Glasmalereien und Fliesen. Nach 4 Stunden und 3 Ländern mussten wir abbrechen ohne alle gesehen zu haben, so riesig ist die Anlage. Die würden sich wahrscheinlich kaputtlachen wenn wir ihnen in Europa gängige Shoppingcenter zeigen würden; so klein und nüchtern und ohne Seeanlagen (mit Bootsverkehr) und Skihang? Und das war nur eine von vielen die es dort gibt. Ob das alles gebraucht wird und wer das ist, der das alles braucht ist die andere Frage.

Interessant mal gesehen zu haben, aber für den leidenschaftlichen Orientbesucher nicht das ideale Ziel.

 

Dort fahren Autos mit deutschen Markennamen (BMW, Mercedes,…) rum, die wir noch nie auf deutschen Straßen gesehen haben, meistens so riesige Geländewagendinger. Ganz klasse war unser Quartier, wir hatten uns bei der norwegischen Seemannsmission eingemietet und hatten ein Gästehaus mit Spielplatz auf dem Gelände. Ansonsten haben wir viel Zeit mit Abed und Fatima verbracht, die Stadt erkundet und es uns gut gehen lassen. Schön war auch, dass wir in unsere Zeit dort am dortigen Gemeindeleben teilnehmen konnten mit Kinderkreisen, Krabbelgruppe und Streethockeyturnier. Micha musste dort beim Turnier dann auch aushelfen- bei den Crusaders natürlich (Kreuzfahrer). Die Crusaders waren die Gastgeber und ihr Motto ist „Die Letzten werden die Ersten sein.“ Das Ziel war also mit Einsatz Letzter zu werden, was mit Bravur gelang.

 

Leider ging die Firma in der Abed arbeitet bald darauf pleite. Da sein Visum für Dubai von dieser Firma abhängig und Fatimas Visum wiederum von Abeds abhängig war mußten die beiden sofort wieder nach Gaza, wo es bald darauf unruhig wurde. Diesmal ist auch seine Familie nicht verschont geblieben: Nachdem bereits vor etwa einem Jahr sein Schwager kurz nach seiner Hochzeit zwischen die Fronten eines Feuergefechts kam und erschossen wurde, starb nun sein Cousin bei einem israelischen Raketenangriff. So ist Micha inzwischen wieder eifriger Leser auf www.haaretz.com , einer israelischen Zeitung. Wir hoffen und beten daß sich die Lage wieder beruhigt,werden aber wohl noch einige Zeit angespannt sein.

 

Wir freuen uns auf den Sommer und unsere Ferien in Frankreich. Dort werden die Kinder dann auch auf ihre geliebten Autos verzichten müssen und vielleicht läßt Marianne sich dann auch einfacher davon überzeugen selber zu laufen. Hier fragen wir uns nämlich manchmal schon ob es unseren Kindern denn zuzumuten ist für den Weg ins Bad oder ins Bett auf das Auto zu verzichten. Nach den Ferien hoffen anschließend noch auf einige ruhige Tage hier im Land die euch auf die nächsten Inselnachrichten vielleicht nicht ganz so lange warten lassen.

Gute Fahrt Euch allen in den Urlaub und wenn es nur mit dem Rasenmäher ums Haus ist (hehe!)!

 

Familie Hoffmann

 

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