Inselnachrichten Nr. 20
Haramsøy,6.9.2008
Wir sind auf Entzug! Ja, wir haben es getan und haben allen Ernstes (fast) alle Süßigkeiten in den Keller verbannt. Der Weg wird so länger und die Trägheit siegt. Bei Jana zeigt das ganze auch schon Wirkung, während Micha immer noch mit den Folgenseiner Sympathieschwangerschaft zu kämpfen hat.
Vielleicht sind daran aber auch die zur Zeit recht reichlichen Beerdigungen Schuld,bei denen in der Regel erwartet wird, daß der Herr Pfarrer das anschließende Gedächtnismahl nicht nur ankündigt, sondern dort auch erscheint. In Deutschland sind diese Mahle auch als „Felle-versaufen“ bekannt. Es ist schon bewundernswert was die Familien dabei innerhalb kürzester Zeit für einFamilienfest auf die Beine stapeln, denn beerdigt werden mußlaut Gesetz innerhalb von 8 Tagen nach dem Todesfall. Micha bleibt meist nur bis zum „Brennsnutt“ genannten Eintopf oder den reichlich belegten Broten. Danach folgen je nach Familie verschiedene Reden und kulturelle Darbietungen so dass das ganze zu einem richtigen Abschiedsfest wird. Das anschließende Kuchenbuffet ist dann immer so reichlich, dass sich der Pfarrer ausgesundheitlichen ( und zeitlichen… ;-) ) Gründen in der Regel vorher verabschiedet. Die Kuchen und Torten sind wirklich Spitze! Oft kommen hier 3 Gäste auf eine Torte (besonders bei Hochzeiten), die ja von Freunden und Nachbarn gebracht werden, und sokommt es dass man dann eine volle Kuchenplatte wieder mitbekommt, nurmit einer anderen Sorte als mit der man kam. Praktisch! Bei ein paar der letzten Beerdigungen verpaßte Micha leider den Absprung, sodass der Entzug bei ihm bisher noch nicht den gewünschten Erfolgzeigt. Er leidet sehr …
2008 ist bei uns das Jahr des Bauens.
Bereits im Frühjahr wurden wir stolze Besitzer eines kleinen Häuschensauf Haramsøy . Da sich von Januar bis Mai die Zahl der Bewohner des Pfarrhauses sich bereits verdoppelt hatte wurde es langsam eng. Über 90 % der Norweger sind als Eigentümer des Hauses bzw. der Wohnung in der sie Wohnen ein getragen, auch wenn sie meist der Bank gehört. Mietwohnungen sind also nicht so leicht zu finden. Durch den florierenden Arbeitsmarkt in Norwegen ist es so selbst auf unseren Inseln unmöglich eine Mietwohnung zu finden. Unsere kleine Ferienwohnung, das ehemalige Pfarrbüro, ist aber auf Dauer für eine dreiköpfige Familie doch zu klein. So wurden wir Anfang Juni selbst zu Immobilien besitzern und Vermietern für Abed,Fatima und Naima.
Das Haus befindet sich an der Hauptstraße der Insel ca. 50 m von Michas Büro entfernt. Es ist das Haus eines Unternehmers und ehemaligen Bürgermeisters von Haram. Es wurde 1959 gebaut undder Bauherr scheint recht vorausschauend gewesen zu sein, denn im Gegensatz zum Pfarrhaus ist es ausgezeichnet isoliert. Die letzten 6 Jahre wurde das Haus von der Witwe bewohnt, die Anfang des Jahres in ein Altersheim umzog. Es bestand also trotz allem einiges an Renovierungsbedarf. Während des Wartens auf Karl konnte Micha so seine handwerklichen Fähigkeiten unter Beweis stellen. Eigentlich sollte er nur die Brüstungder Terrasse reparieren und einige Unebenheiten im Bodenausspachteln. Beim Versuch die Brüstung zu reparieren erwiessich diese als so verrottet, daß sie sich mit einem beherztenSprung 2 m tief ins Graß in Sicherheit brachte und die Unebenheiten ohne Brüstung ausgespachtelt wurden. Als anschließend das Gefälle der Terrasse ermittelt werdensollte stellte sich heraus, dass ein solches nicht vorhanden war.Also entstand eine komplett neue Terasse mit der es Micha gelang seiner liebsten Jana, immerhin Handwerkerstochter, zu imponieren. Aberwir waren uns klar, daß es kein Neubau ist. Wenn man aneiner Stelle anfängt kommen, gleich noch drei neue dazu.Deshalb wollen wir euch beispielsweise die Geschichte des neuenHolzofens oder der Badarmaturen vorenthalten. Doch das Dach ist dicht und bietet auf ca. 120 m2 die beste Wohnung, die Abed und Fatima je hatten. Onkel Abed ist weiterhin ein wunderbarer Spielpartner für unsere Kinder und wenigstens einmal wöchentlich essen wir weiterhin gemeinsam mitunseren palästinensischen Familienmitgliedern.
Doch nicht nur an der Hauptstraße wird gebaut, auch im Pfarrhaus sind Handwerker zu Gange. Anfang des Jahres gelang es uns endlich (im 4. Anlauf und mit Hilfe eines auf eigene Rechnung erworbenen Feuchtigkeitsmessers) einen Handwerker davon zu überzeugen schriftlich festzustellen, das einige Räume in unserem Keller feucht sind und die Dränage um das Pfarrhaus dringend einer Erneuerung bedarf. In diesem Zusammenhang stellte Meister Hurlen, von Marianne „Der Mann“ genannt auch fest, daß ein neuer Anstrich längst überfällig sei. Als durch all diese Feststellungen doch etwas beunruhigt der Verwalter von ca. 100 Pfarrhöfen in Norwegen, Prestegardsinspektør genannt,schließlich nach Haramsøy kam ging es zur Sache: Die fehlende Farbe und beschädigte Holzverkleidung waren schnell abgehakt. Die Gräben hinter dem Haus waren gut gepflegt und der Hang zum Haus trotzdem feucht genug. Die Dränage wird erneuert.Doch dann gelingt Jana der Coup des Jahres: „Wenn ohnehin rund um das Haus auf- und die Terrasse weggegraben wird, könnte man dann nicht die Terrasse etwas erweitern und den Hang mit einer Mauer begradigen oder am besten gleich eine Garage unter die Terrassebauen?“ „Hm, wie lange wollen sie noch hier wohnen“ „Wenigstens 5 bis 6 Jahre“ „Die Richtlinien für neue Pfarrhäusersehen jetzt eine Doppelgarage vor. Hier braucht man ja zwei Autos und damit die Pfarrersleute sich nicht immer streiten müssen, wer im Winter kratzen muß …“ „Wenn man das ganze einmalaufgegraben hat …“ „Ja ich denke, das wäre das beste und effektivste.“ Das war die Überzeugungsarbeit.
Das andere waren Verhandlungen zwischen Meister Hurlen und Prestegardsinspektør Løkke aus denen wir uns diskret heraushielten. Schon im Laufe des Frühjahrs ging es dann los:Das Haus wurde gestrichen, neue Haustüren eingebaut und die Garage erhielt ein automatisches Tor. So wurde es Mitte August, bisdann die Bagger anrückten. Doch alles hat auch noch sein Gutes und so konnten wir noch den größten Teil des Sommers auf unserer Terrasse genießen. Doch dann wackelten die Wände. Eine fitte Rentnergang (alle drei zwischen 70 und 80) legte los: Die Dränage war wirklich hinfällig. Da man beim Bau auf Schotter verzichtet hatte und lieber große Steine auf die Betonrohre gelegt hatte glichen diese einer verstopften Berg- und Talbahn. Die drei Herren arbeiteten wirklich sehr ordentlich und effektiv und hatten sich das tägliche warme Mittagessen von Jana wirklich verdient. Nach zwei Wochen war dann die Dränage fertig und dort wo unsere Terrasse war ist jetzt ein großes Loch. Die Kinder sind von den Maschinen und den Bauarbeiten fasziniert. Nächste Woche sollen die Maurer kommen. Alles in allem soll die Baustelle hier genau so teuer wie unser Hauskauf werden…. Ist aber auch seit dem Bau nix gemacht worden.
Doch hin und wieder braucht man auch mal eine Auszeit von den Baggern und anderen Maschinen. Was liegt da näher als eine kleine Zugfahrt insbesondere wenn die Kinder große Zugfans sind. Und was sollte als Ziel besser passen als die Hochzeit eines lieben Freundes? Am 23.8. heiratete Frode in Kristiansand seine Helina in der Freikirche. Bereits letztes Jahr konnten wir spüren, wie es zwischen den beiden knisterte, und nun sind sie Mann und Frau. Endlich eine Frau, die seine Qualitäten erkannt hat und die ihn mit Ehrlichkeit und Beharrlichkeit überzeugt hat. Die 12 Stunden Zugfahrt von und nach Kristiansand verliefen entspannter als erwartet.
Auch unser Sommerurlaub und die Fahrt mit den Kindern nach Deutschland, zu Karls Taufe, verlief entspannter als erwartet.
Am13.7. wurde Karl Andreas Hoffmann in der Rechenberger Kirche getauft. Damit sind nun alle bis auf Jana in dieser Kirche getauft worden. Der Gottesdienst wurde diesmal vom örtlichen Pfarrer Michael Fischer gehalten, den Micha noch aus Studienzeitenin Leipzig kennt. Wer meint, daß Micha eine kräftige Stimme hat, der konnte erleben dass dies durchaus noch zu toppen ist. Man merkte aber daß der Pfarrer selbst kleine Kinder hat, der Gottesdienst war nicht zu kurz und vor allem auch nicht zu lang. Auch Opa Paul, dem in der letzten Zeit das Alter doch recht zugesetzt hat, hatte noch Kraft und Energie für die anschließende Feier im Erbgericht in Holzhau. Dorthin waren neben den Paten Daniela Möcker, Jan Satke und Susann Raddatz auch alle Großeltern,Tanten und Onkels sowohl Karls als auch seiner Eltern eingeladen.Zwei Paten, Synnøve Haram und Susann Kaul, konnten wie einige andre leider nicht kommen. Auch Abed gehörte diesmal endlich zuden Gästen und er freute sich in Sachsen die Stätten seineseinstigen Wirkens wiederzusehen. Fatima erlebte zwischen Bienenmühleund Holzhau die erste Zugfahrt ihres Lebens.
Währendes im Rest Deutschlands zu dieser Zeit fast überall sonnig-heiß war, war in Holzhau das Wetter eher durchwachsen. Als wir dann unsere Sachen packten und über Thüringen, Hessen und Schweden nach Hause fuhren, sollte uns noch eine Überraschung erwarten:
Aneinem Sonntagmorgen um 7 Uhr mit 150 km/h auf der Überholspurder Autobahn brach einer der 4 Verschlußbolzen unserer neuenTÜV-geprüften Dachbox. So verteilte der Fahrtwind einenguten Teil unseres Gepäcks auf der Autobahn. Da es noch früham Morgen war wagte sich Micha zum Schrecken von Jana zu Fußauf die Autobahn, um zumindest einiges wieder einzusammeln.Schließlich eskortierten zwei von Jana per Telefon alarmiertePolizeiwagen uns zur nächsten Ausfahrt. In der Tankstelle dortfanden wir einen Spanngurt für LKW mit dem wir nun die Boxsicherten und dabei feststellten, daß Richard Glässer inSeifen echte Qualitätsarbeit liefert:
Sowohl Räuchermännerals auch Pyramide haben den Sturz und viele Meter kullern über die Autobahn unbeschadet überstanden.
Mit unserer festgezurrten Dachbox kamen wir dann sicher bis nach Göteborg in Schweden, dort aber leider nicht mehr an unsere Sachen heran. Dafür hätten wir die Box wieder aufschnüren müssen,und wer weiß ob wir sie dann wieder so schön verschnürtgekriegt hätten? Wir hatten in Göteborg einen Tag Verschnaufpause mit einem Besuch im Vergnügungspark Liseberg eingeplant. Leider machte uns dasWetter mit einsetzendem Dauerregen einen kräftigen Strich durch die Rechnung. Nachdem wir am Morgen bereits eine vorzeitige Abreiseerwogen hatten, fanden wir beim Frühstück doch „Europasstørste innendørs lekeland” „Europas größterüberdachter Spielplatz“, der sich zufällig auch in einer Halle in Göteborg befindet. Der Tag war trotz Regen gerettet undin der örtlichen Straßenbahn gab es immer wieder Gelegenheit zum Trocknen.
Seit Anfang August hat uns also der Alltag wieder. Mitdrei Kindern ist es zwar manchmal auch anstrengend, aber auch immer wieder Grund sich zu freuen und Gott zu danken. Vor allem ist es nie langweilig. Karli hat ein wirklich sonniges Gemüt und wird von seinen Geschwistern wirklich geliebt. Auch die beiden sind, wenn sie nicht gerade müde sind, wirklich ein Herz und ein Frühstücksei und wissen was sie aneinander haben.
Leider werden sie in den nächsten Monaten ihren Vater etwas selten sehen. Micha wird von September bis November eine Pause vom Pfarramt auf Haramsøy machen. In Modum Bad, einer großen diakonalen Klinik bei Oslo, wird er eine Zusatzausbildung für Seelsorge absolvieren, die in etwa der deutschen Klinikseelsorgeausbildung entspricht. Diese Zeit soll auch neue Energie für den Dienst geben, denn in Norwegen fehlen in der Kirche zur Zeit die Leute und nicht das Geld für Stellen.
Mt9,37 Da sprach er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß,aber wenige sind der Arbeiter.
Jana wird die Zeit unter anderem für einen längeren Besuch in Deutschland nutzen. Sollte von unserer Seite also in nächster Zeit etwas Funkstille herrschen, dann wißt ihr warum. Doch rechtzeitig vor Weihnachten ist die ganze Familie wieder vereint und dann sollen auch die nächsten Inselnachrichten kommen.
Bisdahin einen gesegneten Herbst.
Eure Hoffmanns
Durch einen Computerabsturz hier leider kein PDF. Wenn jemand es noch hat, reiche ich es gerne nach.