Seminar das „Befragen des alten Testamentes“ bei Prof. Jan Heller
Sitzung am 27. November 1997
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Losung (27.11.97) :
Ach, Herr, du großer und heiliger Gott, der du Bund und Gnade bewahrst denen, die dich lieben und deine Gebote halten! Wir haben gesündigt und Unrecht getan. (Daniel 9,4-5)
Lehrtext:
Das ist gewißlich wahr und ein Wort, des Glaubens wert, daß Christus Jesus in die Welt gekommen ist die Sünder selig zu machen.(1. Timotheus 1,15)
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Die folgende Exegese ist das unvollendete Manuskript einer vor fast 2 Jahren begonnen Proseminararbeit im Fach „Altes Tetament“ an der Theologischen Fakultät der FSU Jena
Thema: AMOS 7, 10-17
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1.Übersetzung
(10) Es sandte Amasja, Priester Beth-els, zu Jerobeam, dem König von Israel, um (ihm) zu sagen: „Es hat sich verschworen gegen Dich Amos inmittten des Volkes Israel. Das Land wird nicht alle seine Worte aushalten können,
(11) denn so spricht Amos: ‘ Durch ein Schwert wird Jerobeam sterben und Israel wird gewiß verschleppt werden[1]. ‘ “
(12) Dann sprach Amasja zu Amos: „Seher geh! Flieh! Geh nach Juda lebe dort[2] und auch weissagen wirst Du dort.
(13) Aber in Beth-el wirst fortan nicht weiter (ver)künden, denn es ist ein heiliger Ort des Königs und das Haus des Königreiches.“
(14) Darauf antwortete Amos indem er zu Amasja sprach: „Ich bin weder Prophet noch der Schüler[3] eines Proheten, sondern ich bin ein Hirt der Maulbeerfeigen züchtet.
(15) GOTT aber nahm mich weg hinter dem Kleinvieh und sprach zu mir: Geh! Verkünde meinem Volk Israel !
(16) Nun höre das Wort GOTTes, (obwohl) du sagst: ‘Du darfst nicht gegen Israel prophezeien und nicht gegen das Haus Juda weissagen.
(17) Höre ! So spricht der Herr: „Deine Frau wird in der Stadt huren und deine Söhne und Töchter werden durch das Schwert fallen. Auch wird mit der Meßschnur dein Land verteilt werden und Du wirst auf unreiner Erde sterben. Aber Israel wird gewiß verschleppt werden[4] von seiner Erde.“
2.Text- und Literarkritik
2.1. Textkritik
Der zu exegetisierende Textabschnitt des Amosbuches ist textlich sehr gut erhalten, so daß der Apparat nur in einem Punkt eine Textvariante bietet und diese zum Übernehmen vorschlägt.
Die Sptuaginta gebraucht in Vers 14 statt des hebräischen riiqOB, das „Rinderhirt“ bedeutet und von dem W. Gesenius[5] schreibt, es habe später wohl auch einfach nur „Hirte“ bedeutet, das griechische ai)polo/j, das als Partizip „Ziegen weidend“ oder substantiviert „Ziegenhirt“ bedeutet. Ob dieser Variante schlagen sowohl der Apparat der Biblica Hebraica Stuttgartensia als auch W.Gesenius[6] vor diiqOn, was Ziegenhirt bedeutet.
Die Lesweise und der Knjekturorschlag bezwecken gemeinsam in ihrer Intention, die inhaltliche Spannung zwischen dem „Rinderhirten“ in Vers 14 und dem „Kleinvieh“ in Vers 15 abzubauen.
Um dieser Intention gerecht zu werden und mich trotzdem so nah wie möglich an den masoretischen Text zu halt, auch wenn die Form dort durch einen Abschreibe- oder Lesefehler entstanden sein kann, habe ich mich für die Übersetzung „Hirte“ entschieden. Dies finde ich auch bestätigt durch A. Weiser[7].
2.2. Literarkritik
2.2.1. Das Zwölfprophetenbuch
Die einzige Er-Erzählung im Amosbuch gehört als Teil desselben zum Buch „der zwölf Propheten“, der sogenannten „kleinen“ Propheten. Die Existenz[8] einer solchen Sammlung ist bereits bei Jesus Sirach (ca. 200-180 v.Chr.) in Kapitel 49 Vers 10 belegt. Hier und in der griechischen Bezeichnung „Dodekapropheton“ bezieht man sich auf die Anzahl der Propheten,die im Lateinischen gebräüchliche Bezeichnung „prohetae minores“ - kleine Prophten - hingegen bezieht sich weniger auf etwa den Wuchs der Autoren oder auf die geringere Qualität oder Bedeutung der Texte sondern vielmehr allein auf den Umfang der einzelnen Schriften.
Die Zusammenfassung der Schriften, die wohl alleeine eigenständige Tradtionsgeschichte bis dahin besitzen, in einem Buch diente wohl dem Zweck, ihnen einen den einzelnen „Großen Propheten“, Jesaja, Jeremia, Hesekiel und Daniel, ebenbürtigen Platz in Lesung und Glaubensleben zu sichern.
Die Zahl zwölf besitzt im Judentum und darüber hinaus eine besondere Bedeutung von Volkommenheit, wie z.B. zwölf Stämme Israels, zwölf Jünger Jesu, so daß bei der Zusammenstellung des Buches eine Selektion nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann..
Bei Anordnung der einzeln Prophetenschriften lassen sich im Bereich der ersten sechs Propheten Unterschiede zwischen der Septuaginta und der masoretischen Tradition feststellen. Erstere ordnet Hosea, Amos, Micha, Joel, Obadja, Jona, während Zweitere Hosea, Joel, Amos, Obadja, Jona, Micha ordnet. In der Anordnung dieser Schriften scheint also Unsicherheit geherrscht zu haben. Der griechischen Ordnung[9] könnte eine ältere Sammlung der Bücher Hosea, Amos, Micha zugrunde gelegen haben, der die anderen Schriften später hinzugefügt wurden. Die hebräische Ordnung hingegen könnt quasi auf ein Stichwortsystem zurückgehen und so thematisch erfolgt sein. An das Ende der sammlung haben beide Ordnungen die Schriften gestellt, die sie für die Jüngsten hielten.
Die Bücher des Dodekapropheton sind in der Zeit von etwa 750 v.Chr, bis ins 3. Jahrhundert v. Chr. entstanden.
2.2.2. Der Prophet Amos
Der Prophet Amos - sein Name wird im Alten Testament nur für seine Person verwandt - wirkte, wie aus Vers 11 zu entnehmen ist, zur Zeit König Jerobeams II., der etwa von 782 v.Chr bist 747 v. Chr[10] im Nordreich regierte und aus der Jehu- Dynastie stammte. Zu jener Zeit regierte in Juda der König Ussia.
Jerobeam war als König sehr erfolgreich und mächtig, so stellte er die alten Grenzen des Nordreiches wieder her und löste das Reich aus der Vassallenschaft Assyriens.
________________________(Ende des Manuskriptes)_________________
Für eine weitere Bearbeitung des Textes sehe ich folgende mögliche Anknüpfungspunkte:
- die Bedeutung des Kultheiligtums Beth-el, besonders der für das Königtum des Nordreiches
- die Verbdopplung und der die besondere Aussage des dativus ethicus in Vers 12 (Kl-xrb Kl)
- die Spannung, die einige Kommentatoren Zwischen der in Amos 1,1 erwähnten Herkunft Amos‘ aus Tekoa und dem in Vers 14 erwähnten Beruf des Maulbeerfeigenzüchters sehen
- die spezielle Aussage der Verbform Pyjt (von nasf) in Vers 16
- die gewisse Spannung, die in Vers 17 durch die Zuordnung der Töchter zum Tode durch das Schwert entsteht und evt. Ergebnis der Hinzufügung der Töchter durch einen späteren Redaktor sein könnte
Als Ansatzpunkte für eine mögliche Predigt möchte ich folgendes zur Diskussion stellen:
- die Berufung Amos‘, als das Hinwegnehmen eines Hirten ohne „prophetischen Hintergrund“ hinter seiner Viehherde für eine neue Aufgabe (hier das Amt des Propheten) durch Gott
- „Amos – ein ungeliebter Fremder in Israel“
Diese Exegese ist ein unvollständiges, unabgeschlossenes Manuskript, das die Bezeichnung „Exegese“ eigentlich nicht verdient und bestenfalls als Diskussionsgrundlage dienen kann.
Praha, den 25.11.1997
Michael Hoffmann