3.3.3. Ein Beispiel einer offenen Veralltäglichung der Triage
Im norwegischen System der Wartelisten mit Dringlichkeitskategorien begegnet uns das System der Auslese nach Dringlichkeit als eine gesetzliche Norm außerhalb der Kriegs- und Katastrophenmedizin. An welcher Logik orientiert sich diese alltägliche Triage nun? Ich denke eine utilitaristische Logik der Maximierung der Überlebendenzahlen, wie sie in der klassischen Triage[35] vorherrscht, kann schon allein deshalb ausgeschlossen werden, weil akute Notfälle eine eigene erste Dringlichkeitskategorie bilden. Aus der Vorschrift über eine Wartezeitgarantie[36] kann abgeleitet werden, das zwei zu maximierende Größen von Bedeutung sind: die Lebensdauer und die Lebensqualität. Diese Maximierung ist eindeutig utilitaristisch, dennoch enthält diese alltägliche Triage nach meiner Meinung auch egalitaristische Elemente. Dies wird besonders an der Motivation der Einführung der Wartezeitgarantie deutlich. In der Vorschriftsbegründung heißt es „Die Kriterien sind streng und betreffen ein Thema, wo die Solidarität im Verhältnis zu den Allerkrankesten und meist Behandlungsbedürftigen das Zentrale ist“. Es geht also darum allen einen möglichst gleichen Zugang zu einem Minimum an Lebensqualität zu verschaffen. In der Diskussion um das Wartelistensystem wurde die Einführung der zweiten Kategorie der Patienten mit Wartezeitgarantie auch damit begründet, Patienten in allen Landesteilen eine möglichst gleichen Zugang zu drängenden medizinischen Behandlungen zu sichern, dies sollte durch die Wartezeitgarantie, die von der Überweisung an ein erstes Krankenhaus an läuft und die freie Krankenhauswahl geschehen. Das Argument eines möglichst gleichen Zugangs zu einem Minimum an Lebensqualität ist für mich ein egalitaristisches dem allerdings das strikt utilitaristische der Maximierung gegenüber steht. Ich denke um das Gewicht des Utilitarismus in dieser Triage nicht zu stark werden zu lassen, ist das dritte Kriterium der akzeptablen Kosten eingeführt worden, es soll verhindern, daß durch einen einzelnen Patienten eine übergroße Menge an Kapazitäten beansprucht wird und dadurch vielen anderen dringende Behandlungen verweigert werden müssen. Durch den Bezug auf die Kosten soll ein Abwägen zwischen einzelnen Patienten vermieden werden, dennoch bleibt die Frage bestehen, welche Kosten sind akzeptabel um ein Leben zu verlängern oder seine Qualität zu verbessern? Diese Frage werden sich Ärzte und Gesellschaft sicher immer und immer wieder stellen müssen. Ziel dieser offen veralltäglichten Triage ist es, wie ich denke, jedenfalls allen Menschen einen möglichst gleichen Zugang zu einem möglichst langen Leben mit einer möglichst hohen Lebensqualität zu sichern und deshalb enthält dieses System einer alltäglichen Triage sowohl egalitaristische als auch utilitaristische Elemente. Die besondere Betonung der egalitaristischen Elemente entspricht dabei dem Selbstverständnis der Norweger als einer egalitaristischen Gesellschaft.