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2.4.        Deutschland

Das deutsche Gesundheitssystem, das in seinen Wurzeln auf Fürst Otto von Bismarck[11] zurückgeht, läßt sich weder dem amerikanischen Prinzip der persönlichen Verantwortung zuordnen noch als Public Health bezeichnen. Seit den letzten Gesundheitsreformen finden wir statt der früheren Dreiteilung in Allgemeine Orts-, Angestellten- und Privatkrankenkassen eine Zweiteilung in gesetzliche und private Krankenkassen. Die gesetzlichen Krankenkassen finanzieren sich in der Regel durch einen für jede Kasse individuellen, steuerähnlichen Anteil des Arbeitseinkommens, der zur Hälfte vom Arbeitgeber und zur Hälfte vom Arbeitnehmer getragen wird. Die Beiträge für Arbeitslose  werden durch die Arbeitslosenversicherung bezahlt. Der Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenkassen sowie Zuzahlungen beispielsweise zu Krankenhausaufenthalten oder Rezeptgebüren bei ärztlichen Verordnungen werden gesetzlich geregelt. Der Leistungsumfang der einzelnen gesetzlichen Krankenkassen ist nahezu identisch, auch wenn durch das Gesundheitsstrukturgesetz die Möglichkeit besteht, bestimmte sogenannte Wahlleistungen[12] nicht mehr zu bezahlen, ist davon bisher kaum Gebrauch gemacht worden.

Die Versorgung ihrer Versicherten bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen im Bereich der frei praktizierenden Ärzte stark vereinfacht nach diesem Modell:

1.      Die Krankenkassen zahlen den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVs) bestimmte ausgehandelte Kopfpauschalen pro zu versorgendem Mitglied in einem bestimmten Gebiet.

2.      Die KVs wiederum honorieren ihren Vertragsärzten die von Ihnen erbrachten Leistungen.

3.      Der Arzt erhält seine Leistungen nur bis einem sich an seiner Patientenzahl bemessenden Leistungsbudget honoriert.

Dies entstand wie folgt:

Da politisch die Stabilität der Krankenkassenbeiträge sehr hohe Priorität genießt, können die KVs die Kopfpauschalen nicht mehr frei aushandeln und diese bleiben somit hinter dem durch medizinischen Fortschritt bedingten Anstieg  der Leistungen zurück. Deshalb haben die KVs die ihren Vertragsärzten honorierten Leistungen budgetiert[13], das heißt ein Arzt kann für seine gesetzlich versicherten Patienten insgesamt nur eine gewisse Menge von Leistungen erbringen die er honoriert erhält. Die Höhe seines Budgets dafür ergibt sich aus der Anzahl der von ihm behandelten Patienten in jedem Vierteljahr.

Daraus ergibt sich folgende direkte Auswirkung:

Hat der Arzt sein Budget überschritten, ist er verpflichtet, weiterhin alle Leistungen zu erbringen, erhält diese jedoch nicht honoriert.

4.      Gleichzeitig haben die Vertragsärzte die Verantwortung für die von ihnen  verordneten Medikamente sowie Heil- und Hilfsmittel, wird das Budget dafür überschritten, so werden die Kopfpauschalen der Krankenkassen an die KVs entsprechend gekürzt[14]. Um dies zu verringern, wurde die Zahl der verordnungsfähigen Medikamente bereits stark eingeschränkt.

 

Mit Krankenhäusern rechnen die gesetzlichen Krankenkassen derzeit direkt über Fallpauschalen und Tagessätze ab. Nicht zuletzt da mehr und mehr Krankenhäuser privat geführt werden, hat sich herausgestellt, daß gerade mit Patienten deren Erkrankungen über Fallpauschalen bezahlt werden, durchaus Gewinne erzielt werden können. Da diese Pauschalen sich an durchschnittlichen Behandlungszeiten orientieren, führen (teilweise zu) frühzeitige Entlassungen zu Gewinnen, während längere Liegezeiten Verlust bedeuten. Bei den Erkrankungen, die über Tagessätze abgerechnet werden, zeigen sich im Alltag teilweise erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen gesetzlichen Krankenkassen. Während einige Krankenkassen beispielsweise bereit sind den Tagessatz für ältere alleinstehende Patienten länger zu bezahlen, um die Zeit bis zur Aufnahme in eine Rehabilitationseinrichtung zu überbrücken, bestehen andere gegen den Wunsch des Patienten auf einer frühzeitigen Entlassung um ihn oft für wenige Tage zurück in seinen Alltag zu schicken, in dem er sich nach längerem Krankenhausaufenthalt jedoch vor dem Aufenthalt in einer Rehabilitationseinrichtung gar nicht wieder zurechtfinden kann. Auch in anderen Ermessensfragen, wie der Gewährung von Kuren oder z.B. orthopädischen Heil- und Hilfsmitteln gibt es Unterschiede zwischen verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen.

Für gesetzlich Versicherte besteht freie Haus- und Facharztwahl. Die Behandlung durch einen Facharzt ist auch ohne Überweisung durch einen Hausarzt möglich. Die Behandlung in einem Krankenhaus geschieht jedoch nur auf eine Überweisung eines Haus- oder Facharztes oder einer Notfallambulanz hin. Alle Arbeiter und Angestellten sind grundsätzlich verpflichtet sich in einer gesetzlichen Krankenkasse zu versichern, Angestellte ab einem bestimmten Einkommen können sich von der Versicherungspflicht befreien lassen und sich dann wie Beamte und Selbständige privat krankenversichern.  Diese Berufsgruppen haben jedoch auch die Möglichkeit sich zu speziellen Tarifen in den gesetzlichen Krankenkassen zu versichern. Eine einmal vorgenommene Befreiung von der Versicherungspflicht  im System der gesetzlichen Krankenversicherung ist in der Regel nicht rückgängig zu machen. Im Bereich der privaten Krankenversicherung gibt es verschiedenste Tarife mit unterschiedlich großem Leistungsumfang, der in der Regel jedoch größer ist, als der der gesetzlichen Krankenkassen. Da die privaten Krankenversicherungen gewinn- und risikoorientiert arbeiten, sind die Beiträge für Frauen meist höher als für Männer und für beide steigen sie mit zunehmendem Alter. Um sehr hohen  Beiträgen im Alter vorzubeugen, ist den privaten Krankenversicherungen jedoch gesetzlich vorgeschrieben worden für Rentner einen Tarif anzubieten, dessen Leistungen und Kosten sich an denen der gesetzlichen Krankenversicherungen orientieren. Mit privat Versicherten rechnen Ärzte, Apotheken und Krankenhäuser direkt ab. Die Versicherten lassen sich dann die Rechnung von ihrem Versicherer erstatten.

Das deutsche Gesundheitssystem ist nach meiner Einschätzung mit seinen verschiedenen Krankenversicherungssystemen, verschiedenen Krankenversicherungen und eigenen, hier nicht erwähnten, Unfallversicherungssystemen eines der kompliziertesten und undurchsichtigsten überhaupt. Ich persönlich würde es als schlichtweg chaotisch bezeichnen.

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