3.3. Gelübde der Wallfahrt nach Jerusalem
Nach Jerusalem zu wallfahrten und dort Gott an den Gläubigen sowie vor allem an den Ungläubigen zu dienen, dies scheint mir eine, wenn nicht gar die entscheidende Kernaussage des Gelübdes vom Montmartre zu sein. Die Wurzeln dieses Gelübdes liegen bereits in der „Bekehrung“[38] Inigos 1522 und den Erfahrungen seiner ersten Wallfahrt[39] im Jahre 1526. Belegt ist das Wallfahrtsgelübde (allerdings ohne die Jahresfrist) auch in den Lebenserinnerungen des Ignatius[40]: „...nach Jerusalem zu gehen und ihr Leben in den Dienst der Seelen zu stellen, falls ihnen aber nicht die Erlaubnis gegeben werde, in Jerusalem zu bleiben, nach Rom zurückzu kehren, ...“ Hier wird der Bezug auf Inigos erste Wallfahrt und seine Auseinandersetzung mit Fra Angelo[41] in Jerusalem besonders deutlich.
Die These, das Gelübde vom Montmartre sei dieses Wallfahrtsgelübdes wegen allein „die Stiftung einer Studentenverbindung für Muhammedanermission im heiligen Lande“[42], möchte ich gemeinsam mit Heinrich Böhmer[43] abweisen. Ich sehe es vielmehr so, daß das Gelübde von 1534 die Gründung einer auf der Frömmigkeit des Ignatius fußenden und dieser durch die Exerzitien auf besondere Weise verbundenen Studentengenossenschaft bedeutet, deren primäres Ziel zugegebenermaßen die Wallfahrt nach Jerusalem und missionarisches aber auch diakonisches Handeln dort ist, die aber als sekundäres Ziel die Dienst- und Gehorsamsverpflichtung dem Papst gegenüber eingeht.
Ein anderes Problem des Gelübdes liegt an dieser Stelle in der Jahresfrist. Sie ist für mich allein in Böhmers Rekonstruktion[44] des Wortlautes greifbar belegt und findet sich weder bei Lefèvre[45] noch in Inigos Lebenserinnerungen[46]. Eine „Böhmersche Glättung“ meine ich durch die Wortgruppe „dentro e un ano“ in Böhmers Quelle[47] bei Lainez ausschließen zu können.
Da die Genossen nach der Erlaubnis zur Pilgerfahrt 1537[48] , im Jahre 1538 in Rom Betätigungsfelder suchten und sich im gleichen Jahr auf Auseinandersetzungen mit römischen Lutheranern[49] einließen, scheint doch eine Absprache über die Jahresfrist vorgenommen worden zu sein, sei es nun inner- oder außerhalb des Gelübdes vom Montmartre. Diese Vermutung wird dadurch gestützt, daß die Geossen auch später keinerlei Versuche einer Wallfahrt mehr unternahmen. In der Formula Instituti findet sich jedenfalls keinerlei Wallfahrtsverpflichtung mehr. Die Formula ist begründet in der Verwirklichung des sekundären Zieles, der Zurverfügungstellung dem Papste gegenüber. Dies macht das Scheitern des primären Zieles des Montmartregelübdes spätestens hier deutlich. Allerdings finden sich in der Mitte des II. Abschnittes die Türken als erstes mögliches Ziel einer Sendung durch den Papst.