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3.5. Die STA in Deutschland

Als der bereits erwähnte Schweizer Adventistenprediger Jakob Erzberger 1875 in Vohwinkel und 1876 in Solingen[69] die ersten deutschen Adventistengemeinden gründete, konnte er an spekulativ-apokalyptische Gedanken anknüpfen, die zuvor beispielsweise schon durch aus der tschechischen Reformation hervorgegangene Gruppen oder im 18. Jahrhundert durch den württembergischen Pietisten Johann Albrecht Bengel verbreitet worden waren. Auch hatte der „Weber und ehemalige reformierte Prediger J.H. Lindermann bereits vorher eine Gruppe von etwa 50 Personen auf Grund eigener Erkenntnisse von Adventerwartung, Glaubenstaufe und Sabbatfeier überzeugt, schloß sich den Siebenten-Tags-Adventisten aber wegen Differenzen in der Vorstellung vom Tausendjährigen Reich nicht an“[70].

Der eigentliche Begründer der Gemeinschaft der STA in Deutschland[71] ist aber Ludwig Richard Conradi[72], der, in Karlsruhe geboren, 1878 in Amerika den STA beigetreten war und 1887 Ellen Gould White auf deren Reise durch Deutschland begleitete, nachdem er 1886 nach Deutschland entsandt worden war.[73] 1889 wählte er Hamburg als Ausgangspunkt für die adventistische Mission in Deutschland, Mittel- und Osteuropa, Vorderasien und Afrika und gründete dort ein Verlagshaus. 1898 erhielten die STA in Deutschland den Status einer Vereinigung.[74] 1899 wurde sowohl der Deutsche Verein für Gesundheitspflege gegründet als auch das Anwesen Friedensau bei Magdeburg zum Aufbau eines Theologischen Seminars erworben. In dieser Zeit begannen auch die Anfänge des Advent-Wohlfahrtswerkes. Nachdem es 1891 kaum 110[75] Adventisten gab, wurde nach der Organisationsreform 1901 bereits ein erster deutscher Verband mit 1 959[76] Mitgliedern gegründet, aus dem bis 1912 drei Verbände wurden, von denen sich 1992 nach der Wiedervereinigung Deutschlands zwei wieder zusammenschlossen

1914[77] kam es aufgrund unterschiedlicher Ansichten zum Waffendienst, der von der deutschen Leitung der STA vorbehaltlos unterstützt wurde, zur Abspaltung der „Gemeinschaft der STA - Reformationsbewegung“ und anderer kleiner Gruppen[78]. Die Jahre der Weimarer Republik[79] nutzten die STA weiter zur Mission. Sie traten in dieser Zeit eher unpolitisch, höchstens antikatholisch auf. 1914 hatten die STA in Deutschland 15 000[80] und 1930 30 000 Mitglieder.[81]

In der Zeit des Faschismus[82] wurden die STA zwar eingeschränkt, aber nicht verboten, und viele ließen sich auch von der NS-Ideologie beeinflussen. Nach 1945 nutzten sie jedoch die Möglichkeiten des Neuanfangs.[83] In den Nachkriegsjahren erzielten die STA bemerkenswerte Missionserfolge und erreichten mit 44 800[84] ihren bisherigen Höchststand an Mitgliedern in Deutschland. Die Mitgliederzahlen haben danach - auch durch die antireligiöse Politik der DDR- langsam aber stetig abgenommen. Seit der Wende dürfte den Schilderungen Pastor Gelkes zufolge die Zahl der Adventisten durch den Zuzug aus Rußland, wo seit 1886 unter den deutschen Mennonitengemeinden missioniert worden war, wieder leicht ansteigen. In Ostdeutschland ersetzen diese Zuzüge jedoch oft gerade die Anzahl von Mitgliedern, die aufgrund der wirtschaftlichen Situation in den Westen Deutschlands verzogen sind. Besonders die ostdeutschen Adventisten, die durch die Entchristlichung der Gesellschaft in der DDR geprägt sind, suchen die Gemeinschaft und Hilfe anderer Glaubensgemeinschaften, auf die sie in jener Zeit oft angewiesen waren. Nach meinen Beobachtungen wird hier auch nicht mehr aktiv unter anderen Christen missioniert, sondern vielmehr das nichtchristliche Umfeld, für das die Unterschiede der einzelnen Glaubensgemeinschaften weniger relevant sind, als gemeinsame Aufgabe und Missionsfeld für alle Christen erkannt. Auch an anderen Punkten hat sich das Gemeindeleben durch das Umfeld verändert. So wird heute beispielsweise stärker nach den Zielgruppen bestimmter Veranstaltungen gefragt, und der Gottesdienstbesuch liegt „nur“ noch bei etwa 60 Prozent[85]. Selbstverständlich gibt es unter den heute etwa 36 000 deutschen Adventisten Unterschiede sowohl durch Alter und Frömmigkeitsprägungen, aber auch zwischen Ostdeutschen, Westdeutschen und Zuwanderern aus Rußland. Diese werden zwar nach außen als „bereichernd“ bezeichnet, führen aber auch zu Konflikten.

Inneradventistisch gelten die deutschen STA allgemein[86] als progressiv und sehr an praktischer Zusammenarbeit mit anderen christlichen Gemeinschaften interessiert. Sie können sich jedoch auf den Generalkonferenzen in bestimmten Fragen wie der Frauenordination nicht immer gegen konservativere STA - beispielsweise aus Afrika - durchsetzen.

Ein wichtiges Zentrum der deutschen STA ist Friedensau bei Magdeburg. Hier befinden sich neben der staatlich anerkannten Theologischen Hochschule[87] mit etwa 200 Studenten „ein Sanatorium, Werkstätten und eine Nährmittelfabrik“[88]. Aber auch außerhalb von Friedensau unterhalten die STA soziale Einrichtungen.

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