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4.2.3. Die Sabbatlehre

Die größte Rolle unter den adventistischen Sonderlehren spielt zweifellos die Sabbatlehre, die sich auch im Namen der STA findet. Allerdings nimmt auch sie mit FB 19 nur einen Punkt in den Glaubensüberzeugungen ein. Aus ihrem Gesetzesverständnis heraus, das den Sabbat als gute göttliche Schöpfung und sein Halten als Frucht des Glaubens sieht, und durch ihr Schriftverständnis verstehen die STA Exodus 20,8 wörtlich und deshalb den Samstag als den von Gott gebotenen Ruhetag. Die Sabbatfeier haben die STA von den Siebenten-Tags-Baptisten übernommen, die jedoch nicht die einzige sabbathaltende christliche Gemeinschaft vor ihnen waren.

Die Christen der ersten Jahrhunderte hielten noch bis ins 4. Jahrhundert den jüdischen Sabbat, auch wenn sie daneben bereits früh den Sonntag als Auferstehungstag als den Versammlungstag der Gemeinde feierten[229]. Die polemische Rückführung des Sonntags auf heidnische Einflüsse, die das Christentum aufgenommen habe, durch viele Adventisten[230] ist so nicht zulässig. Bereits vor dem Edikt Konstantins von 321 wurde der Sonntag von den Christen als ein Gottesdienst- und Versammlungstag gefeiert. Allerdings muß den STA zugestanden werden, daß das Dekret von 321 zunächst wohl wirklich nicht den christlichen Auferstehungstag, sondern den Tag der Sonne im Blick hatte. Dieser hatte seinen Ursprung für Konstantin allerdings weniger in dem auch an seinem Hofe verbreiteten Mithraskult, gegen den er später restriktiv vorging, sondern im Tag der Sonne der antiken Planetenwoche.[231] Daß dieser wöchentliche Feiertag mit dem christlichen Auferstehungs- oder Herrentag zusammenfiel, hat die Bedeutung dieses Tags jedoch über die des aus dem Judentum übernommenen Sabbats hinauswachsen und danach auch weitestgehend dessen Funktion übernehmen lassen; denn als „christlicher Sabbat wird er [, der Sonntag,] in den ersten Jh.en nirgends verstanden, seine Feier niemals mit dem 3. (4.) Gebot des Dekalogs begründet“[232]. Die den Sonntag haltenden Kirchen halten diesen im wesentlichen aus Tradition und weniger auf biblischer Grundlage. Ein Teil dieser Tradition ist es auch, daß man seit dem 4. Jh. begonnen hat, den Sonntag als christlichen Sabbat zu feiern. Dennoch feiern sie ihn aller adventistischer Polemik zum Trotz als christlichen Feiertag mit christlichen Traditionen und nicht etwa heidnischen, auch wenn diese Traditionen sicher auch durch nichtchristliche Elemente beeinflußt wurden. War nicht das Kreuz Christi die Hinrichtungsmethode der heidnischen römischen Staatsmacht und ist es heute nicht trotzdem ein christliches Symbol? Sollte dies nicht auch auf den Sonntag zutreffen, zumal dessen Ausgestaltung nach 321 unter dem Zeichen von Konstantins Bekehrung stand, die mehr als politisches Kalkül war? Die christliche Tradition wird im romanischen Sprachraum, der den Sonntag als Herrentag bezeichnet, oder in einigen slawischen Sprachen wie dem russischen, wo er der Auferstehungstag ist, zweifellos deutlicher als im anglo-germanischen Sprachraum, dem auch E. G. White und die Väter der Adventisten zugehörten und der weiterhin dem Tag der Sonne verhaftet ist.

Es hat aber immer wieder auch Christen gegeben, die es vorzogen, den Samstag neben dem Sonntag oder statt des Sonntags zu feiern.

STA können heute anerkennen, daß auch den Sonntag haltende Glaubensgemeinschaften das Sabbatgebot ernstnehmen und sich beispielsweise Lutheraner neben einer alten christlichen Tradition auch auf biblische Argumente berufen.[233] STA halten jedoch an ihrer Auffassung fest, daß sowohl das Alte als auch das Neue Testament das Halten des Samstags als Sabbat gebietet.[234] Auch wenn man diese Ansicht nicht teilt, so kann man zumindest anerkennen, daß die Schrift das Halten des Samstags als Sabbat nicht verbietet, solange man wie die Adventisten dies nicht als verdienstliches Werk betrachtet[235]. Auch ein ausdrückliches biblisches Gebot, den Auferstehungstag als Sabbat zu feiern, wird man nicht finden. Da STA zudem nicht behaupten, es würden nur Menschen errettet, die den Samstag als Sabbat halten, halte ich die Schlußfolgerung für angebracht, mit der „Akzeptanz, die Paulus den Judenchristen entgegenbrachte, die das Gesetz weiterhin hielten, [...] die Überzeugung der Adventisten zu respektieren“[236].

Dies bedeutet auch, sich als sonntagshaltende Gemeinschaften der Polemik gegen das Sabbathalten der STA zu enthalten. So halte ich es beispielsweise theologisch durchaus für „haltbar“[237], den siebenten Tag als „ein Sinnbild unserer Erlösung durch Christus“[238] zu feiern. Dies zu begründen ist meiner Meinung nach nicht nur mit Heb 4,1-11 möglich. Ich halte es für akzeptabel, den siebenten Tag als Vollendung der Schöpfung zu verstehen. Sieht man dann die Erlösung durch Christus jetzt und in Perspektive auf den jüngsten Tag als Vollendung der Welt und setzt dieses beides in Beziehung zu einander, so sehe ich das Verständnis des siebenten Tags als Sinnbild der Erlösung durchaus auch so begründbar. Außerdem ist es durchaus nicht offensichtlich, daß Heb 4 etwas anderes meint. Zu berücksichtigen ist auch, daß die Theologie der ersten STA maßgeblich durch Nichttheologen geformt wurde.

Das Halten des Siebenten-Tags-Sabbats ist zudem ein unaufgebbarer Kern adventistischer Identität. Es ist eng mit ihrem Verständnis als apokalyptische Gemeinschaft verbunden. Es diente seit der Anfangszeit in den USA auch der Abgrenzung gegen verweltlichte kirchliche Gemeinschaften und führte und führt noch bis heute zu vielen Konflikten mit der Gesellschaft. Dies ist vielleicht auch ein Grund dafür, weshalb STA überwiegend dem Mittelstand angehören[239], da beispielsweise Selbständige eher frei bestimmen können, ob sie am Samstag arbeiten oder nicht. Die Konflikte sind jedoch geringer geworden, seit in vielen Ländern, wie auch in Deutschland, der Samstag ein in der Regel arbeitsfreier Wochentag geworden ist. Dies eröffnet auch Perspektiven für gemeinsame Veranstaltungen von Adventisten und anderen Glaubensgemeinschaften, da Adventisten normalerweise kein Problem mit einem zusätzlichen Gottesdienst am Sonntag haben und auch für andere ein zusätzlicher Gottesdienst am Samstag eher unproblematisch ist.[240]

Die adventistische Sabbatlehre läßt sich in ihrem heutigen Verständnis durchaus als Element einer Heterodoxie begreifen und kann sich durchaus als fruchtbar erweisen.[241] Insbesondere aus der hier nicht erörterten Form des adventistischen Sabbathaltens und der Diskussion um diesen Tag kann die adventistische Sicht auch wichtige Impulse für die aktuelle Diskussion um den Sonntag liefern. Sie kann beispielsweise helfen, das Augenmerk neben der kulturellen und sozialen Bedeutung des Sonntags auch wieder stärker auf den religiösen Sinn dieses heute ebenfalls mit dem Sabbatgebot begründeten Tags zu legen.[242]

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