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3.8. Die STA auf dem Weg in die Ökumene[101]

Die Abgrenzung der STA gegen andere christliche Glaubensgemeinschaften und ihre Ausgrenzung durch diese hat eine lange Tradition und begann bereits mit der Millerbewegung.[102] Ellen Gould White brachte die STA auf einen Kurs, der den Abstand zu anderen Christen nie zu groß werden und so auch Raum für Entwicklungen ließ.

Etwa 100 Jahre nach der Formierung der STA begann im Zuge des ökumenischen Aufbruchs der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts auch eine Annäherung der STA an die weltweite ökumenische Bewegung. Sie ist durch die inoffiziellen Gespräche mit dem ÖRK zwischen 1965 und 1971 erstmals greifbar. Als Ergebnis dieser Gespräche gibt es seitdem eine Zusammenarbeit der STA mit dem ÖRK in bestimmten Fragen und die gegenseitige Teilnahme von Beobachtern an größeren Tagungen und Konferenzen. Die STA sehen sich zwar innerhalb „eines biblisch begründeten Einheitsstrebens“[103] der Christenheit, eine Mitgliedschaft im ÖRK streben sie jedoch aus theologischen Gründen nicht an. Dies hängt ähnlich wie bei der römisch-katholischen Kirche mit einem eigenen Verständnis von Ökumene zusammen, das sich von dem des ÖRK unterscheidet. Es „ist von drei grundlegenden Forderungen gekennzeichnet:

1. Keine Einheit um jeden Preis! Einheit ist kein Wert ‚an sich‘.

2. Christliche Einheit ist nicht zuerst und vor allem organisatorischer, sondern geistlicher Art, ist Einheit in Christus.

3. Das Wachsen in Einheit darf nicht getrennt werden von einem Wachsen in der Heiligung (bildlich gesprochen: horizontale und vertikale Einheit gehören zusammen)“[104].

Ihre Vorbehalte einer Mitgliedschaft im ÖRK gegenüber begründen sie vor allem wie folgt:

1. „Mitgliedschaft im Ökumenischen Rat bedeutet faktisch Missionsverzicht gegenüber Mitgliedskirchen. [...] Ein gesamtkirchliches geistliches Wachstum jedoch setzt Missionsfreiheit aller Kirchen auch untereinander voraus.“[105]

2. „Der Ökumenische Rat neigt zur Anpassung des christlichen Glaubens an die ‚moderne Welt‘ [...]. Die Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten wäre [...] im ökumenischen Rat derart schwach vertreten, daß sie organisatorisch nichts unternehmen könnte.“[106]

3. Nicht wenige im ÖRK suchen „eine Art christliche, ja interreligiöse Einheitsfront gegen den Unglauben [...] Wahre christliche Einheit aber darf nicht Angsteinheit oder Einheit der Selbstbehauptung sein.“[107]

Ein solches Verständnis von Ökumene und ihre Vorbehalte einer Mitgliedschaft im ÖRK gegenüber teilen die STA mit vielen anderen, besonders pietistischen und evangelikalen Gruppen und Gemeinschaften oder der Evangelisch-Lutherische Kirche der Missouri-Synode.[108] Die Vorbehalte sind so auch verständlich, wenn man bedenkt, daß die STA in einem pietistisch und evangelikal geprägten Umfeld entstanden sind[109], zwischenzeitlich nur unter den Mitgliedern anderer Kirchen missionierten[110] und auch bis heute stark durch Mission wachsen[111]. Die STA erheben heute jedoch „keinen Ausschließlichkeitsanspruch“[112] und zeigen reges Interesse für „Lehrgespräche, Materialaustausch, Jugendbegegnungen, gemeinsame diakonische Dienste (etwa an Suchtgefährdeten), Hilfe in Notständen, Überlassung von Räumen, Friedensdienst, Unterstützung von Bibelgesellschaften und nicht zuletzt Einsatz für Glaubensfreiheit“[113]. Sie sehen sich auch außerhalb des ÖRK als Teil der weltweiten Christenheit. Dies wird deutlich durch ihre seit 1968 bestehende Teilnahme an den „Zusammenkünften der ‚Sekretariate der konfessionellen Weltbünde‘“[114] oder Gespräche mit verschiedenen Kirchen beispielsweise die Gespräche mit dem Lutherischen Weltbund[115], der syrisch-orthodoxen Kirche[116], den Maroniten[117], der Weltweiten Evangelischen Allianz[118] und den Reformierten.[119] Selbst mit der römisch-katholischen Kirche[120], lange Zeit der Inbegriff für „Babel“, wurden Gespräche aufgenommen, die zu einer Revision des Verhältnisses führten. Zur Pflege der ökumenischen Beziehungen richtete die Generalkonferenz der STA einen „Rat für zwischenkirchliche Beziehungen“ ein. Ganz allgemein sind die STA weniger an institutioneller als vielmehr an praktischer Zusammenarbeit interessiert, haben sich in den letzten Jahren jedoch auch mannigfaltigen Formen der Mitgliedschaft in verschiedenen Organisationen und Gremien geöffnet. So sind sie in Deutschland[121] seit 1993 Gastmitglied der Vereinigung evangelischer Freikirchen (VEF) und der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK), in deren DDR-Pendant sie bereits bald[122] nach der Gründung als Beobachter mitzuarbeiten begannen. Vollmitglied sind sie seit 1995 in der Deutschen Bibelgesellschaft. Ihr praktisches Interesse an Zusammenarbeit wird noch deutlicher, beispielsweise bei der Kooperation mit der Evangelischen Jugend in Sachsen und dem Landesjugendpfarramt der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens bei der Durchführung des Landesjugendcamps 2001 und des Pfingstcamps der Adventjugend im Röhrsdorfer Park bei Chemnitz, bei der Beteiligung an Bibelwochen oder der gegenseitigen Mitnutzung von Räumen.[123] Auch die Mitarbeit in der evangelischen Allianz auf lokaler Ebene oder das Verhältnis zu lutherischen Amtshandlungen[124] sind Zeichen einer Entwicklung hin zu mehr Ökumene. Allerdings geschieht dies - wie beispielsweise bei der Aufnahme als Gastmitglied in die ACK - nicht immer ohne inneradventistische Spannungen. So ist der Grund für die Beschränkung auf den Gaststatus nicht durch die ökumenischen Gremien, sondern durch die Adventisten selbst bedingt. Sie sehen so auch eine Möglichkeit, an praktischer Zusammenarbeit teilzuhaben und gleichzeitig ein eigenes Auseinanderbrechen oder die Abspaltung derer zu vermeiden, die weitere Schritte auf andere Glaubensgemeinschaften zu so nicht oder noch nicht mitgehen können oder wollen. In der Zukunft[125] ist daher wohl weniger eine Änderung eines Mitgliedsstatus als eine Intensivierung der praktischen Zusammenarbeit zu erwarten. Denkbar wären hier beispielsweise gemeinsame Jugendtreffen, so wie sich die STA schon seit Jahren am Deutschen Evangelischen Kirchentag beteiligen[126].

Ein Zeichen der Veränderung des Verhältnisses der STA zu anderen Kirchen ist auch der Zusatz „protestantische Freikirche“, den sie seit einigen Jahren der Bezeichnung „Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten“ anfügen.[127] „Man kann also davon ausgehen, daß die teils selbstgewählte, teils auferlegte Isolation überwunden wird“[128] bzw. oft auch schon ist. Die ökumenische Entwicklung der STA geht nach meiner Auffassung weiter. So beteiligen sich auch adventistische Frauengruppen am Weltgebetstag der Frauen, nachdem sie von der Leitung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden waren. Allerdings war es noch keine deutschlandweite Aktion, aber sie zeigt auch eine weitere Möglichkeit für zukünftige Begegnungen und Zusammenarbeit.

Insgesamt bleibt somit festzustellen, daß die STA heute, obwohl sie sich in der organisierten Ökumene eher am Rand halten, durchaus an praktischer Ökumene interessiert und auf sie hin orientiert sind. Ihre Randstellung innerhalb der organisierten Ökumene würde es nicht rechtfertigen, ihnen den Status einer Kirche abzusprechen, schon da dies dann auch mit der römisch-katholischen oder der georgisch-orthodoxen Kirche geschehen müßte.

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