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5.1. Begriff – Was sind die STA?

5.1.1. Gemeinschaft neben den Kirchen

Gemeinschaften neben den Kirchen erhalten eine solche Bezeichnung meist durch andere christliche Gemeinschaften, auf die sie sich beziehen oder bezogen werden. Diese Gemeinschaften wiederum verstehen sich selbst als Kirche bzw. werden auch von außen als solche verstanden. Nur wenige christliche Gemeinschaften lehnen, wie die STA vor ihrer offiziellen Gründung 1863, für sich selbst ein Verständnis als Kirche ab. Den meisten „Gemeinschaften neben den Kirchen“ wird die Bezeichnung Kirche von meist größeren oder zumindest mächtigeren Glaubensgemeinschaften abgesprochen. Dieses Absprechen des Status Kirche beinhaltet eine Ausgrenzung, auf welche die Ausgegrenzten meist mit Verurteilung der Ausgrenzenden, einer Ignorierung dieser oder eher seltener mit einer Bemühung um die Ausgrenzenden reagieren. Letzteres ist, gebremst durch das Bemühen um die Erhaltung eigener Identität, bei den STA zu beobachten.

Alle Bezeichnungen, die beinhalten, daß eine Gemeinschaft sich neben, also getrennt von den Kirchen befindet, bedeuten Ausgrenzung - egal ob dies vom Ausgrenzenden oder Ausgegrenzten gewollt wird oder nicht.

5.1.1.1. Sekte

Der Begriff Sekte wird entweder von dem lateinischen Verb sequi, jemandem nachfolgen, oder dem Verb secare, abschneiden, abtrennen, abgeleitet. Während das erste etymologisch wohl zutreffender ist, hat das zweite den Begriff stärker geprägt. Dem lateinischen secta entspricht jedenfalls das griechische heiresis, von dem der Begriff Häresie stammt, der für Gruppen und Lehren Verwendung findet, welche die oder eine Kirche zu spalten versuchten. Sowohl der Begriff Sekte als auch die Bezeichnung Häresie sind aber oft auch polemisch gegen verschiedenste Reformbewegungen angewandt worden. Der Begriff Sekte ist insbesondere durch die „Ketzerverfolgungen“ kirchengeschichtlich stark belastet worden. Auch im Alltag ist er nicht nur negativ besetzt, sondern löst oft sogar Panik aus und verhindert jede sachliche Diskussion. Dennoch wird er nach wie vor benutzt[256]. Wollte man der Tradition folgen, so wäre jede Gemeinschaft, die sich von der in einem Staat herrschenden und anerkannten Kirche trennt, eine Sekte.[257] Diese verrechtlichte Definition brach jedoch für Deutschland spätestens mit der Weimarer Verfassung und der darin garantierten Religionsfreiheit zusammen. Heute bestimmen soziologische und theologische Kriterien die Definitionen[258] des Sektenbegriffes.

Das im Auftrag des Kirchenamtes der VELKD herausgegebene Handbuch religiöser Gemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften definiert Sekten heute theologisch als „Gemeinschaften, die mit christlichen Überlieferungen wesentliche außerbiblische Wahrheits- und Offenbarungsquellen verbinden und in der Regel ökumenische Beziehungen ablehnen“[259]. Hier werden die Adventisten auch seit der 4. Auflage dieses Handbuches nicht mehr eingeordnet. Diese Definition ist auf die STA auch tatsächlich nicht zutreffend, da für ihre Lehre allein die Bibel Grundlage ist, auch wenn ihre Schlußfolgerungen daraus teilweise äußerst zweifelhaft sind[260]. Auch von einer Ablehnung ökumenischer Beziehungen kann bei den STA nicht mehr gesprochen werden, obwohl sie auf eine Mitgliedschaft im Ökumenischen Rat der Kirchen weiter verzichten.

Daneben gibt es noch andere Definitionen für den Begriff Sekte[261], die neben den in der bereits erörterten Definition schon genannten Merkmalen oft auch als theologisches Kriterium eine „Vernachlässigung oder Verfälschung der biblischen Christologie“[262] oder soziologisch die besondere Unterordnung unter eine Organisation bzw. Institution als Kennzeichen für eine Sekte nennen. Da die STA die grundlegenden christologischen Aussagen der meisten christlichen Glaubensgemeinschaften teilen und sie demokratisch[263] organisiert sind, treffen auf sie all diese Definitionen nicht zu. Auch Menschen, die als neue Apostel oder Propheten bezeichnet werden, gibt es bei den STA nicht, denn obwohl man E. G. White die Gabe der Weissagung zuschreibt, erkennt man doch ihre Fehlbarkeit an und verleiht ihr keine derartigen Titel. Einzig zwei der Charakteristika Wilhelm Haacks[264] könnten die STA treffen: ein „Geschichtsmodell von der guten alten und der schlechten neuen Zeit“[265] und einen „Glauben an die Berechenbarkeit der Pläne Gottes, insbesondere der Wiederkunft Christi“[266]. Dennoch halte ich es nicht für zulässig, die STA heute als Sekte zu bezeichnen, da ihre Verwerfung anderer Glaubensgemeinschaften heute so nicht mehr zum Allgemeingut ihrer Glaubensgemeinschaft gehört und in wesentlichen Zügen historisch bedingt ist. Die STA sehen die Kirchengeschichte auch nicht in einen ununterbrochenen Abstieg, sondern kennen in der Geschichte gerade mit den Reformatoren auch bessere Zeiten neben den schlechten. Ihre Ablehnung der Verbindung von Staatsmacht und Religion trägt eher freikirchliche Züge. Adventisten lehnen auch, bedingt durch die große Enttäuschung von 1844, jede Berechnung der Parusie ab. Daß sich die Zahl 1844 trotzdem in ihren Glaubensüberzeugungen findet, ist nach meiner Auffassung primär ihrer Geschichte und ihrem Bedürfnis nach Identität in geschichtlicher Kontinuität geschuldet, zumal Adventisten heute durchaus bereit sind einzuräumen, daß es sich dabei um einen Irrtum handeln könnte und auch wenn ihnen die Zahl plausibel erscheint, sie doch keinesfalls so sicher sind.

Die STA lassen sich aufgrund ihrer Lehre, die keinen exklusiven Zugang zum Heil für Adventisten kennt und sehr weitgehend mit der verschiedener Kirchen übereinstimmt, und auch wegen ihrer ökumenischen Beziehungen somit nicht als Sekte bezeichnen.[267]

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