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3.2. Die Millerbewegung[16]

Endzeitspekulationen haben im Christentum eine lange Tradition, die von Montanus, dem Führer der Montanisten im 2. Jahrhundert über die Endzeitberechnungen Joachim von Fiores, die Taboriten des 15. und chiliastischen Täufergruppen des 16. Jahrhunderts bis in die Gegenwart reicht.

In diese Tradition gehört auch William Miller (1782-1849), ein Farmer und später auch Baptistenprediger aus dem Staat New York. Nach einem Bekehrungserlebnis 1816 begann er ein intensives Bibelstudium ohne Fachliteratur und Kommentare, allein mit einer Konkordanz. Eine große Faszination übte dabei auf ihn die Prophetie, insbesondere die apokalyptische aus. 1818 glaubte er im Buch Daniel den Schlüssel für eine biblische Zeitrechnung entdeckt zu haben und meinte, sich in der letzten Phase des apokalyptischen Abrisses von Daniel 2 zu befinden. Zu diesem Schluß war er gelangt, indem er den Grundsatz „ein Tag gleich ein Jahr“ auf die 2300 Tage in Daniel 8,14 anwandte und diese als Höhepunkt der Prophetie betrachtete. Den Beginn[17] dieser nun 2300 Jahre sah er im Jahr 457 v. Chr., dem 7. Jahr des Artaxerxes, in dem nach Esra 7,8 Esra nach Jerusalem kam. Dies hielt er für bestätigt durch die 70 Wochen in Dan 9,24, die ihn mit 490 Tagen gleich 490 Jahren in das Jahr 34 nach Christus zum Beginn der Heidenmission nach der Kreuzigung Christi im Jahr 31 führten. Das Ende der 2300 Jahre und damit den Zeitpunkt der Wiederkehr Christi nahm er daher entsprechend dem antiken Jahr zwischen dem Frühjahr 1843 und dem Frühjahr 1844 an.

Diese Erkenntnisse veröffentlichte er jedoch zunächst nicht. Erst 1822 verfaßte er ein aus 20 Artikeln bestehendes „Kompendium des Glaubens“ das neben Glaubensgrundsätzen, die durchaus denen seiner calvinistisch geprägten Baptistengemeinde entsprachen, auch eben jene zeitliche Fixierung der Wiederkunft Christi im Jahre 1843 bzw. 1844 enthielt.

1831 verspürte Miller die Berufung, über seine Erkenntnisse zu predigen und die Menschen zu warnen. 1833 erhielt er eine offizielle Predigterlaubnis und wurde 1844 hauptamtlicher Prediger einer Baptistengemeinde. Er gewann bald eine große Bekanntheit und löste eine Erweckung aus, so daß 1843 etwa 700 Prediger[18] in seinem Sinne tätig waren. Die Gedanken Millers wurden zwischen 1831 und 1844 intensiv durch Versammlungen, aber auch durch Zeitschriften und Traktate verbreitet, von denen insgesamt etwa fünf Millionen Exemplare verteilt wurden.

Die „Milleriten“ bildeten zunächst noch keine eigenen Gemeinden und erreichten so neben Methodisten und Baptisten auch viele andere Kirchen. Insgesamt sollen der Millerbewegung zwischen 50 000 und 100 000 Gläubige angehört haben.[19] Mit dem Näherrücken des von Miller berechneten Zeitpunktes spitzte sich die Situation jedoch zu, und 1843 wurden sie von den Methodisten ausgeschlossen, während die Baptisten erst 1845 folgten. Daraufhin identifizierten einflußreiche Prediger der Milleriten die Kirchen mit „Babylon“.

Als der 21. März 1844 verstrich und sich nichts ereignete, breitete sich eine große Depression aus, die durch den Prediger Samuel S. Snow noch einmal überwunden wurde, der unter Berufung auf das Gleichnis von den zehn Jungfrauen[20] mit dem 22. Oktober 1844 ein neues Datum für die Wiederkunft Christi verkündete.

Als auch dieses Datum eine „große Enttäuschung“[21] brachte, war nicht nur Miller, der am 20. Dezember 1849 fast erblindet in Low Hampton starb, enttäuscht, sondern auch viele Anhänger, so daß die Bewegung zerfiel. Eine größere Gruppe[22] sammelte sich erneut um Miller und berief 1845 eine Konferenz nach Albany ein, an der etwa 60 adventistische Prediger teilnahmen“ und verkündete dort „das Ende der 2300 Tage sei unbekannt, alle bisherigen Berechnungen falsch und dem 22. Oktober komme keinerlei heilsgeschichtliche Bedeutung zu“.[23]

Eine andere Position, die sich nicht lange halten konnte, vertraten Gruppen um Joseph Turner und Samuel S. Snow, die für den 22. Oktober eine geistige Wiederkunft Christi annahmen. Snow sah sich schließlich als der wiedergekommene Elia[24] und beanspruchte auch staatliche Machtbefugnisse.

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