3. Die Geschichte des Wallfahrtsortes Mariaschein
3.1. Die Anfänge oder wie das Gnadenbild nach Mariaschein kam
Über die Herkunft des in der Wallfahrtskirche verehrten Gnadenbildes gibt es zwei Legenden[19]: Die eine spricht von einem armen Mütterchen, dessen Hütte an der Stelle des heutigen Mariaschein stand und sich von einer Wallfahrt zu den vierzehn Nothelfern aus Kaaden die kleine Statue mitbrachte, in ihren Birnbaum stellte und anbetete. Dies regte andere Frauen zur Nachahmung an und führte durch die vielen Gnaden der Statue zur Errichtung einer Kapelle. Eine andere märchen- und wunderhaftere Legende ist weiter verbreitet und auch in allen mir zugänglichen Wallfahrtsbüchlein zu finden: Am 8. September, dem Feste Mariä Geburt, eines unbekannten Jahres wurde eine Magd in der Nähe einer Linde beim Grassammeln von einer Schlange angefallen. Diese wurde jedoch durch einen schwachen Lichtstrahl aus der Linde gezwungen von dem Mädchen abzulassen, das nach Graupen zu seinem Dienstherrn lief, der daraufhin gemeinsam mit einem anderen Krupaer Bürger die Linde untersuchte und das Marienbild fand. Das Bild, das aus dem Orient stamme, war dort von Grabwächterinnen aus dem Kloster Schwaz auf der Flucht versteckt worden. Später wurde die kleine Statue nach Graupen überführt und war am nächste Morgen auf wundersame Weise wieder in die Linde gelangt. So bauten die Krupkaer dort eine Kapelle zu der bald Wallfahrer aus der ganzen Region kamen.
Diesen Legenden lassen sich Fakten gegenüberstellen: Erst gegen Ausgang des 12. Jahrhunderts „hob man die allerseligste Jungfrau als besonders verehrungswürdig heraus und brachte sie auch allein mit dem Leichnam Christi in ihrem Schoße bald als Gemälde, bald wieder als Statue zur Darstellung“[20] Da die Statue seit 1709 mit Goldblech überzogen ist, konnte auch Kröss sich nur auf Millers Beschreibung[21] und ältere Abbildungen berufen und feststellen: Die Statue in Form einer Pieta stammt „noch aus der Zeit der Gothik“[22]. Sie dürfte als „Werke [einer] mittelalterlichen“[23] „deutschen Steingusswerkstätte“[24] „gegen Ende des vierzehnten oder zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts entstanden sein“[25].
Da sich vor 1421 keine Hinweise auf eine Kapelle oder ähnliches auf dem erzbischöflichen Gut Geiersberg, zu dem Mariaschein gehörte, finden läßt und das älteste datierte Votivgeschenk von 1443 stammt, ist mit Kröss[26] und Miller[27] von einer Entstehung zwischen 1421 und 1443 wahrscheinlich im Zusammenhang mit den Hussitenkriegen und den dreihundert Toten der Schlacht bei Usti[28] im Jahre 1426 auszugehen. Das Gnadenbild könnte somit im Zusammenhang mit der Totenehrung für die Gefallenen in Zusammenhang stehen, die nur eingeschränkt möglich war, da Geiersberg eine hussitische Herrschaft war.[29] Auch zur Legende, die ja oft auf historische Ereignisse zurückverweist lassen sich Verbindungen herstellen[30]: Die Grabwächterinnen aus Schwaz bei Bilin flüchteten nämlich zwischen 1421 und 1429 vor den Hussiten. Sie können durchaus das Gnadenbild mitgebracht haben. Damit würde auch die von Kröss[31] erwähnte These Millers eines Zusammenhanges mit den Hussitenkriegen ein weiteres Mal bestätigt.